Archäologische Grabungen in Großstolpen Archäologische Grabungen in Großstolpen: Das mysteriöse Schaf im Brunnen

Großstolpen - Millimeter für Millimeter kratzt sich Christina Viol durch die Erde, die den vor zwei Jahren geborgenen Brunnen füllt. Seit Februar hat sie zirka 40 Zentimeter geschafft. Jetzt muss sie stoppen. Sie hat ein Skelett freigelegt. Das eines Schafes - oder auch einer Ziege. Das könne man nicht mehr sagen, erklärt Projektleiter Harald Stäuble vom sächsischen Landesamt für Archäologie. Vielleicht kann es die Archäozoologin näher bestimmen, die jetzt in der ehemaligen Werkhalle in Großstolpen im Landkreis Leipzig erwartet wird.
Schaf im Brunnen gibt Rätsel auf
Auf jeden Fall ist sich Stäuble sicher, dass das Tier nicht in den mehr als 7.000 Jahre alten Brunne gefallen ist und auch nicht einfach hineingeworfen wurde. „Es ist niedergelegt worden“, sagt er. Und zwar zu einer Zeit, als der Brunnen nicht mehr als Wasserspender genutzt, sondern bereits verfüllt wurde. Aber auch das geschah vor mehr als 7.000 Jahren, wissen die Archäologen. Es war wohl ein Tieropfer, was die Menschen der damaligen Zeit gebracht haben. Aber warum oder wofür? Das bleibt vielleicht immer ein Geheimnis.
Ausstellung gibt Auskünfte über Fundstücke
Im Moment sind die Archäologen gespannt, was noch in dem Brunnen steckt, der vor zwei Jahren mit einem anderen, kleineren zusammen im Bereich des künftigen Abbaufeldes Peres am Tagebau Vereinigtes Schleenhain ausgegraben und als 30 Tonnen schwerer Block nach Großstolpen gebracht wurde. Seitdem wird - finanziert von der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft (Mibrag) - gegraben und geforscht, ist in der Halle sogar eine Ausstellung entstanden, die unter anderem über die Brunnenfunde Auskunft gibt. Die Vielzahl der in Peres entdeckten Wasserspender ist nach den Worten von Stäuble einmalig in der mitteldeutschen Region. Aber eben nur zwei waren so gut erhalten, dass sie geborgen werden konnten.
Der kleinere, von dem nur ein knapper halber Meter gefunden worden ist, hat seine Geheimnisse bereits preis gegeben. Die hölzerne Konstruktion der Brunnenwand ist verpackt, wird nach Dresden gebracht. „Das Holz wird in einer Spezialflüssigkeit konserviert“, sagt Grabungsleiterin Saskia Kretschmer. Das dauert einige Jahre. Danach könnte die hölzerne Konstruktion wieder aufgebaut werden. Wird das Holz nicht konserviert, würde es in kurzer Zeit zu Staub zerfallen.
Über 7.000 Jahre altes Holz
Deshalb hält Christina Viol auch die Wand des großen Brunnens immer feucht, dessen größter Teil noch immer samt Erdreich in einer großen Kisten liegt. Etwa zwei Meter hat man noch vor sich. „Insgesamt war der Brunnen etwa vier Meter tief“, sagt Harald Stäuble. Die obere Hälfte war nicht mehr erhalten, die untere schon. Sie stand Tausende Jahren im Wasser, das das Holz konserviert hat. Die Archäologen gehen davon aus, dass der Erhaltungszustand der hölzernen Wand um so besser ist, je tiefer sie den Brunnen freilegen. Und das, obwohl das Holz für den Brunnen im Jahr 5134 vor Christus geschlagen worden und aller Wahrscheinlichkeit auch umgehend verarbeitet worden ist - vor 7.150 Jahren. Das können Dendrologen - also Wissenschaftler der Baumkunde - so exakt feststellen. Wenn auch in einigen Fällen mit dem Zusatz plus/minus zehn Jahre.
Nicht bloß ein Wasserbrunnen
Wer mehr über die Ausgrabung wissen will, der bekommt in den nächsten Wochen Gelegenheit dazu. Am 24. August gibt es die nächste öffentliche Führung in der Halle in Großstolpen. Sie beginnt um 16 Uhr und dauert eine Stunde. Weitere Führungen bieten die Archäologen am Tag des offenen Denkmals am 11. September an. Von 10 bis 15 Uhr finden sie stündlich statt. Anfahrt über Bundesstraße 2 und Bundesstraße 176 über Groitzsch. ze
Auch wenn der Brunnengrund erst in zirka zwei Jahren in Sicht kommen wird, einige Erkenntnisse haben die Archäologen bereits gewonnen. Zum Beispiel über die Bauweise. Die eine ist, dass die Menschen damals einen Trichter mit einem oberen Durchmesser von elf Metern gegraben haben, um den Brunnen dort hineinzubauen. Eine andere Erkenntnis betrifft die Technik, wie die Holzbalken für die Brunnenwand zusammengefügt wurden. „Sie wurden nicht nur verschränkt, sondern mit Zapfen verbunden“, sagt Harald Stäuble. Bis vor Kurzem hat man diese Technologie erst dem Handwerk im 11./12. Jahrhundert nach Christus zugeschrieben.
Eine dritte Erkenntnis: Womöglich ging es bei den Brunnen nicht um Trinkwasser. In dem kleineren, schon bearbeiteten , wurden Bastreste gefunden. Jetzt vermuten die Archäologen, dass die Brunnen für wenige Jahrzehnte angelegt wurden, um ihr Wasser für die Produktion von Seilen zu verwenden. Es bleibt spannend, was das „Eintauchen“ in den Brunnen noch ans Tageslicht fördert. Alles kann man sich vor Ort erklären lassen. (mz)
