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Besser als deutsche Saisonkräfte Apfelernte in Goseck: Obsthof Diethe setzt auf Erntehelfer aus Rumänien

Von Julia Reinard 16.10.2017, 11:41
Marius Trift und seine Landsleute pflücken derzeit den Braeburn in der Plantage des Obsthofs Diethe.
Marius Trift und seine Landsleute pflücken derzeit den Braeburn in der Plantage des Obsthofs Diethe. Peter Lisker

Goseck - Marius Trift legt die Äpfel rasch, aber mit Bedacht in eine große Kiste. Mit einer blauen Latzhose bekleidet läuft er am Traktor vorbei.

Er grüßt Stefanie Diethe: „Hello!“ und stellt sich vor. Marius Trift ist Rumäne. Er pflückt - gemeinsam mit derzeit sechs anderen - die Äpfel beim Obstbau Diethe in Goseck, zu dem auch der Hofladen in Markröhlitz gehört.

Apfelernte in Goseck: Rumänen zieht es zum Obsthof Diethe

Marius Trift ist zum ersten Mal in Deutschland, um zu arbeiten. Dass es gerade die Apfelernte ist - Zufall. Er war zuvor ein halbes Jahr in England, um Autositze zu produzieren.

Davor ging es sechs Jahre lang nach Spanien, wo er auf einer Rinderfarm arbeitete. Warum er das tut? In Rumänien verdiene man etwa 300 oder 350 Euro im Monat. Für die Miete ginge davon ein Drittel ab. Bleibt nicht viel übrig für den Lebensunterhalt.

Deshalb suchte er mit 24 Jahren erstmals außerhalb der Landesgrenzen nach einem Job. Seit Anfang September pflückt er in Goseck Äpfel, schläft in einem Bungalow auf dem Campingplatz und findet diese Arbeit „nicht schwer“, wie er betont.

Apfelernte in Goseck: Mit Bilder- und Wörterbuch wird sich beim Obsthof Diethe verständigt

Ein bemerkenswerter Satz, schließlich hört Familie Diethe seit Jahren anderes von ihren Erntehelfern. Bis 2016 stammten die Pflücker auf ihrer Plantage aus Deutschland, von einer Zeitarbeitsfirma vermittelt. Und deutsche Pflücker hatten viele Vorteile gegenüber den Rumänen.

Der größte davon: Mit ihnen war die Verständigung einfach. Jetzt gehört zur Ausstattung des Inhabers ein Rumänisch- und ein Bilder-Wörterbuch. Jetzt hilft Tochter Stefanie Diethe mit ihrem Englisch beim Übersetzen. Und Diethes fahren die Arbeiter zwei, drei Mal in der Woche mit dem Auto zum Einkaufen.

Apfelernte in Goseck: Deshalb überzeugen rumänische Erntehelfer mehr als die deutschen

Trotzdem entschied Familie Diethe mit der ersten Ernte des Jahres, es mit anderen Erntehelfern zu probieren. Bei der Kirschenernte halfen erstmals Rumänen. Trotz der Verständigungshürde überzeugten sie aus vielen Gründen, wie Stefanie Diethe erzählt: „Die Rumänen schaffen einfach mehr in der Zeit, sie sind weniger oft krank und wenn es nieselt, hören sie nicht gleich auf zu arbeiten.“ Das Urteil klingt hart.

Aber es beruht auf den Erfahrungen, die man im Obstbau Diethe Jahr für Jahr gemacht hat. „Eine gewisse Menge müssen die Pflücker-Teams schaffen, sonst rentiert es sich gar nicht - wir waren oft an einem Punkt, wo es sich nicht mehr gelohnt hatte.“

Während sie das erzählt, rufen die anderen Pflücker Marius Trift zu, dass die Apfelkisten voll seien. Er bittet um eine Pause, um den Traktor wegzufahren und leere Kisten zu holen.

In Deutschland waren 2016 533.660 Rumänen gemeldet. Mit der Freizügigkeit können sie überall in der EU arbeiten. Rund 10.000 nimmt Trift an, seien es allein aus seinem Heimatort Medias im Zentrum von Rumänien - das ist ein Fünftel der Bevölkerung.

Als Trift zurückkommt, sagt er: „No Kisten“, „Kisten“ auf Deutsch. Sie seien alle, deshalb schlägt er vor, die Gruppe mache jetzt ihre Mittagspause. In der Zeit kann Sylvio Diethe neue Kisten bringen. - Welcher Chef freut sich nicht über so viel Umsicht?

Apfelernte in Goseck: Marius Trift spart sein Geld für Familie und Wohnung in seinem Heimatort

Trift ist 33 Jahre alt. In seiner Heimat Mediaș leben seine Frau und seine Zwillinge. Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre alt. Er sieht sie für zwei Monate im Winter - über Weihnachten und den Januar. Dann ist er wieder Wanderarbeiter in den westeuropäischen Ländern, sendet von den 1.500 Euro oder 1.700 Euro, die er verdient, das meiste nach Hause und kommuniziert mit der Familie nur über Facebook.

Er wünscht sich für seine Kinder ein besseres Leben. Am besten sei es für sie, in Deutschland groß zu werden, hier hätten sie Chancen auf ein anderes Leben, aber dafür müsste er einen festen Job fürs ganze Jahr haben. Marius Trift ist kein Träumer, sondern ein freundlicher Pragmatiker: Derzeit wird gespart, um in Mediaș eine Wohnung zu kaufen und die Miete zu sparen. (mz)

Einer in der Gruppe fährt den Traktor: Marius Trift hat die Lizenz.
Einer in der Gruppe fährt den Traktor: Marius Trift hat die Lizenz.
Peter Lisker