Amtsgericht Naumburg Amtsgericht Naumburg: Sparbuch des eigenen Vaters leergeräumt?

Naumburg - Hat sie ihren pflegebedürftigen Vater ausgenommen wie eine Weihnachtsgans? Dieser Frage geht das Amtsgericht Naumburg in einem Untreue-Prozess nach. Auf der Anklagebank sitzt eine 55-Jährige, die das Konto ihres in einem Pflegeheim lebenden Vaters innerhalb von 17 Monaten leergeräumt haben soll. Es geht um rund 36000 Euro, die just ab dem Zeitpunkt auf Null zusammenschmolzen, nachdem der Tochter Mitte 2013 die Betreuung ihres an Demenz erkrankten Vaters übertragen worden war.
„Ich habe das nicht alles verprasst. Ich habe davon das Pflegeheim und Apothekenrechnungen bezahlt“, erklärte sie. Diese, wie der Strafrichter zu verstehen gab, fadenscheinigen Erklärungen waren ihm nicht neu. Wegen der Veruntreuung war der Prozess im Januar schon einmal eröffnet worden. Damals wurde die Verhandlung ausgesetzt, weil die Angeklagte davon sprach, dass sie einem Gerichtsvollzieher ein Einnahme- und Ausgabebuch übergeben hätte. Daraus erhoffte sich das Gericht erhellende Erkenntnisse. Doch auch im erneuten Prozessauftakt fehlte von dem Buch jede Spur. So musste sich der Richter von der Angeklagten die gleichen Geschichten zu ihrer Unschuld anhören. Auf seinen Hinweis beispielsweise, dass sie von einem Rechtspfleger aufgefordert worden war, alle Ausgaben, die sie mit dem Geld des Vaters bestreiten sollte, mit Belegen zu unterfüttern, meinte die Angeklagte: „Die Thermoblätter sind nicht mehr lesbar.“
Fraglich blieb für das Gericht, wie die 36000 Euro aufgebraucht werden konnten, wenn doch der Vater über eine Rente samt Witwenrente von monatlich 1500 Euro verfügt, und sich davon sowohl Pflegeheim als auch anfallende Kosten wie für Medikamente bezahlen ließen. Sie habe vom Geld ihres Vaters dessen total verwahrloste Wohnung renoviert, sagte sie. Außerdem habe sie hin und wieder ihrer Tochter, die die Lieblingsenkelin ihres Vaters sei, in seinem Auftrag Geld von dessen Sparbuch ausgezahlt - rund 6500 Euro innerhalb von elf Monaten. Psychiatrische Gutachten lassen das Gericht daran zweifeln, dass der Mann in der Lage gewesen war, solche Anweisungen zu geben. Dazu sollte die Enkelin als Zeugin gehört werden. Jedoch war sie nicht erschienen. Die Angeklagte erklärte, dass ihre Tochter im Auto auf dem Weg von Siegen nach Naumburg vom Schnee überrascht worden sei, und sie ihre Tochter angewiesen habe, umzukehren. „Sie pfuschen mir das nächste Mal nicht wieder ins Handwerk“, so der Richter erbost.
Der Prozess wird im Januar fortgesetzt - unter anderem mit der Enkeltochter. Ihr erlegte das Gericht wegen unentschuldigten Fehlens eine Geldstrafe von 150 Euro oder drei Tage Ordnungshaft auf.