70. Geburtstag 70. Geburtstag: Kein altes Eisen

weissenfels/MZ - Der Ball ist nicht besonders hart geschossen, zielt aber platziert auf die linke untere Ecke. Dennoch kein Problem für Lutz Wiebigke, das Leder mit einem beherzten Sprung mit einer Hand herauszuholen. Der Hallenboden vibriert ein wenig, als der massige, drahtige Körper von Wiebigke aufprallt. Und das ohne Schoner-Ausrüstung oder Handschuhe. Und genauso schnell, wie er in die Ecke abgetaucht war, steht Wiebigke mit der Ball in der Hand wieder auf festen Füßen. Vergangene Woche Montag ist Lutz Wiebigke 70 Jahre alt geworden. Die MZ sagt herzlichen Glückwunsch.
„Ich bin fit, das kann ich unumwunden sagen. Und mir tut es richtig gut, wenn ich donnerstags ordentlich Muskelkater habe. Dann weiß ich, dass ich Mittwoch was getan habe“, sagt Wiebigke mit Blick auf seine Mannschaftskameraden von der VSG 64 Weißenfels, einer vor 50 Jahren gegründeten Fußball-Hobbytruppe, die sich immer mittwochs zum Kicken trifft. Wiebigke ist seit 1992 aktiv dabei. Aber eigentlich ist der Weißenfelser von Haus aus Handballer. „Das geht aber nicht mehr, seit ich vor zwei Jahren ein künstliches Schultergelenk bekommen habe“, erzählt der Jubilar über die schmerzhafte Erinnerung.
Schmerzhaft nicht wegen der Behandlung an sich. „Die war perfekt. Ich hatte das Glück, von einem Professor in der Berliner Charité operiert zu werden und habe überhaupt keine Probleme mehr.“ Schmerzhaft oder eher ärgerlich, weil Wiebigke seitdem nicht mehr Handball spielen kann. Denn das ist immer sein Lieblingssport gewesen. Noch bis vor zehn Jahren spielte er bei der damaligen HSG Prittitz-Gieckau in der dritten Mannschaft, absolvierte für den Dorfverein geschätzt mehr als 400 Spiele und hat weit über tausend Tore erzielt.
Harter Sport
„Handball ist das universelle Spiel überhaupt. Dafür brauchst du Athletik, Kraft und Ausdauer. Keine Sportart ist so hart, aber genau das habe ich immer gebraucht“, sagt Wiebigke und spricht von seinen Stärken Sprungkraft und Schnelligkeit, die er nun den VSG-Fußballern zur Verfügung stellt. „Es könnte auch jede andere Sportart sein. Hauptsache ich bewege mich und bin mit Leuten zusammen.“ So wie mit Jochen Rausch oder Volker Meyer, der zu den Gründungsmitgliedern der VSG 64 Weißenfels gehört.
„Ich kenne Lutz seit 46 Jahren, so lange ist er auch schon Mitglied bei uns. Er war und ist immer sehr kameradschaftlich. Sein Stellungsspiel ist richtig gut, das hat er vom Handball mitgebracht“, lobt Meyer den 70-Jährigen. Auch seine Geselligkeit, so wie Rausch: „Er ist immer bei der dritten Halbzeit dabei und sehr unterhaltsam.“
Schluss mit Arbeit
Drei Kinder hat Wiebigke, vier Enkel - ein erfülltes Leben, „das ich genauso wieder leben würde. Auch was die Arbeit betrifft“, meint er und muss gar nicht mal so lange zurückdenken, wenn es um die Arbeit geht. Denn noch bis Anfang März hat er auf Knien rutschend im eigenen Betrieb Fußböden verlegt. Ende 2013 hat er seine Firma nach 20 Jahren aufgelöst „und noch die letzten Aufträge abgearbeitet. Aber jetzt ist wirklich Schluss. Wenn der Körper sagt, dass es nicht mehr geht, muss ich darauf hören“, ist der 70-Jährige vernünftig, auch wenn ihm die Arbeit bis zum Schluss Spaß gemacht hat. Auch seine Tätigkeiten davor.
Der gelernte Bergmann arbeitete auch in der Hochseefischerei als Wachoffizier. Ab 1978 war er im Stahlwerk in Frankleben Abteilungsleiter, ehe es ihn wieder zum Wasser zog, diesmal jedoch zur Binnenfischerei nach Weißenfels. Nach der Wende schulte er um und machte sich wenig später selbstständig mit einem Fußbodenleger-Betrieb.
Einmal Sportler, immer Sportler
Mit Arbeiten hat er ja nun jetzt aufgehört, Handball geht auch nicht mehr - wie lange aber soll das noch mit dem Fußball weitergehen? „Bis auch hier mein Körper sagt, es geht nicht mehr. Wenn man mich nur noch aus Pietätsgründen mitspielen lässt, höre ich auch damit auf“, so Wiebigke, der sich nicht sprichwörtlich aus der Halle raustragen lassen wird. Dann genießt er eben sein Leben in seinem Heim, wo er sich regelmäßig auch mit Hanteltraining fit hält. Sportlich aber wird Lutz Wiebigke immer bleiben. Und wenn es nur noch im Herzen ist. Einmal Sportler, immer Sportler, meint er.