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20 Jahre Milben 20 Jahre Milben: Wie das Marmor-Denkmal in Würchwitz einst entstand

Von Yvette Meinhardt 03.04.2021, 07:00
Mitten in Würchwitz steht ein außergewöhnliches Denkmal für den Milbenkäse. Vor 20 Jahren wurde es gebaut und  Helmut Pöschel füllt Käse nach.
Mitten in Würchwitz steht ein außergewöhnliches Denkmal für den Milbenkäse. Vor 20 Jahren wurde es gebaut und  Helmut Pöschel füllt Käse nach. René Weimer

Würchwitz - Eine Würchwitzer Spezialität ist in aller Munde - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Milbenkäse ist nicht nur „der lebendigste Käse der Welt“, sondern brachte dem 330-Seelen-Dorf Popularität weit über die Region hinaus. Grund ist auch eine riesige Milbe aus weißem Marmor, die Bildhauer Christian Späte mit seinen Mitarbeitern schuf.

Reise nach Italien inspirierte zum Denkmal

An diesem 1. April steht das imposante Denkmal seit 20 Jahren im Ort, und das Milbenkäse-Museum feiert am gleichen Tag 15. Geburtstag. Doch die satirische Party, die im Ort seit Jahren am 1. April gefeiert wird, muss wegen der Pandemie zum zweiten Mal ausfallen. Stattdessen schwelgt „Obermilbe“ Helmut (Humus) Pöschel in Erinnerungen.

„Die Sache mit dem Denkmal ist schon eine verrückte Geschichte. Ich wollte eigentlich eine kleine Skulptur haben, die ich vielleicht auf meinen Hof stelle und bin zum Steinmetz Späte ins Nachbardorf gegangen“, erinnert sich Humus. Bei einem Bier am Küchentisch wurden Reisepläne geschmiedet und kurze Zeit später fuhren der Bio-Lehrer Pöschel und der Steinmetz Späte nach Italien, kauften in Carrara einen riesigen Block weißen Marmor und ließen ihn zuerst in die Werkstatt nach Meuselwitz bringen.

2021 feiern Verein und Museum 170-jähriges Bestehen

Aus einem rund zehn Tonnen schweren Quader wurde durch schwere handwerkliche Arbeit ein einmaliges Kunstwerk. Etwa sieben Tonnen bringen der Sockel und die aufgesetzte Milbe bis heute auf die Waage. „Es war schon eine tolle Zeit, bis heute werde ich auf das Denkmal in Würchwitz angesprochen und selbst nach 20 Jahren ist es weltweit wohl immer noch das einzige Geruchsdenkmal“, sagt Christian Späte. Am Hinterteil der Riesenmilbe befindet nämlich ein Loch, darin ist ein Käse versteckt und den kann man schon von weitem riechen.

Doch den Bildhauer und den Kleefestverein verbindet mehr als nur das außergewöhnliche Denkmal. Zur Einweihung der Marmor-Milbe schauten der Würchwitzer Verein und auch der Steinmetzbetrieb Späte auf eine 150-jährige Geschichte zurück. Demzufolge feiern in diesem Jahr beide ihr 170-jähriges Bestehen. Beide bewahren handwerkliche Traditionen, Späte als Steinmetz und Pöschel stellt bis heute den Würchwitzer Milbenkäse her.

Pöschel schickte im April 2003 den Milbenkäse zur Raumstation ISS

Millionen kleiner Milben krabbeln in alten Holzkisten, fermentieren aus Quark, Gewürzen und Roggenmehl die Käsespezialität. „Schon als Kind bin ich mit dieser Tradition aufgewachsen und bereits im Juni 1971 gab es den ersten Milbenkäse-Frühschoppen zum Kleefest“, erzählt Pöschel. Die Krabbeltierchen brachten dem Dorf große Aufmerksamkeit.

So war Pöschel nahezu bei allen Fernsehsendern zu sehen, schickte im April 2003 den Milbenkäse zur Raumstation ISS in das Weltall, war Stammgast auf der Slow Food Messe in Turin (Italien) und fand Aufnahme in die sogenannte Arche des Geschmacks. Vor 15 Jahren ging der Bio-Lehrer in den Ruhestand. Seitdem hatte er noch mehr Zeit, sich intensiv um den Milbenkäse zu kümmern. So wurde der Stall abgerissen und an dieser Stelle ein kleines Milbenkäse-Museum errichtet.

Milbenkäse-Manufaktur in Würchwitz produziert etwa 1.000 Stück Käse im Jahr

Hier kann man unter dem Mikroskop den Milben bei der Arbeit zusehen, Ausstellungsstücke bewundern und in Fachliteratur blättern. Beeindruckend sind die Eintragungen in den Gästebüchern. Diese reichen von japanischen Schriftzeichen, über russische Grüße bis zu amerikanischen Dollarnoten. Kurzum: Die Gäste kommen aus aller Welt ins Kleeland.

Parallel dazu gründete Pöschel zusammen mit Christian Schmelzer die Milbenkäse-Manufaktur in Würchwitz. „Wir produzieren im Jahr etwa 1.000 Stück Käse“, verrät Pöschel. Und die Würchwitzer setzen bis heute auf Klasse, statt auf Masse. Und auch wenn es zum Jubiläum keine Feier geben kann, hat Pöschel für alle Käseliebhaber einen Trost, denn der Milbenkäseverkauf geht auch in der Pandemie weiter. „Dann verkaufen wir eben Milbenkäse to go“, sagt er und lacht dabei. (mz)