Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Tagebau bedroht Geburtshaus von Nietzsche
Röcken/dpa. - AufTransparenten ist zu lesen: «In dieser Region ein Tagebau: Nein» oderdas Nietzsche-Zitat «Bleib mir der Erde treu». Der Philosoph liebtedieses Dorf mit seinem Teich nahe der Stadt Weißenfels. Vor mehr als150 Jahren schrieb er: «Zwischen diesen Gewässern zu gehen, dieSonnenstrahlen auf der Spiegelfläche und die munteren Fischleinspielen zu sehen, das war meine größte Lust.» 1844 wurde er in Röckengeboren, 1900 hier begraben. Das Pfarrhaus, in dem er bis zu seinemfünften Lebensjahr aufwuchs, seine Taufkirche, die Dorfschule undNietzsches Grab liegen nahe beieinander und bilden ein einzigartigesEnsemble.
Noch ist keine Entscheidung getroffen, ob Röcken von der Landkarteverschwinden soll. Aber unter dem Ort lagert Braunkohle, und dieMitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag/Theißen) führtseit dem Jahr 2006 Probebohrungen durch, um die Qualität derVorkommen zu erkunden. «Röcken ist für das Verständnis von NietzschesPhilosophie unverzichtbar», sagt der Geschäftsführer der Nietzsche-Gesellschaft, Ralf Eichberg, als ein Gegner der Braunkohlepläne. Alsdie Mibrag mit ihren Arbeiten begann, verfasste das Gremium einMemorandum und sammelt seitdem Unterschriften: «Die einzigartigekulturhistorische Bedeutung Röckens muss man zum Wohl der Bevölkerungins Feld führen», betont Eichberg.
Das Unternehmen hat indes für seine Erkundungen der Braunkohle einrund 8200 Hektar großes Gelände abgesteckt. Ende dieses Jahres sollendie Bohrungen abgeschlossen sein und ausgewertet werden. Welche Ortein der Region von den Baggern bedroht sind und welche Vorkommenvermutet werden, dazu will die Mibrag keine Angaben machen. «Daserzeugt Angst bei den Bewohnern», sagt Mibrag-Sprecherin AngelikaDiesener. Die Förderung der Braunkohle in diesem Gebiet könntefrühestens im Jahr 2025 beginnen. Das Unternehmen braucht neuenBrennstoff, weil es im nahe gelegenen Profen bis 2013 ein Kraftwerkbauen will. Ein Partner für die Investition von einer Milliarde Eurofehlt der Mibrag bislang noch. «Der Tagebau Profen ist im Jahr 2035erschöpft», sagt Diesener. Danach müsse die Kohle aus einem neuenTagebau kommen.
Falls Röcken den Baggern weichen muss, hält Eichberg von einermöglichen Umsetzung des Nietzschehaus-Ensembles nichts: «Das wäre wieDisneyland. Der authentische Charakter des Ortes wäre zerstört.» DieBewohner von Röcken und des Nachbarortes Sössen wehren sich mit einerBürgerinitiative gegen eine mögliche Zerstörung ihrer Dörfer. «EineBefragung hat ergeben, das rund 80 Prozent der Bevölkerung dagegenist», sagt Rainer Küster, Sprecher der Bürgerinitiative Lützen e.V.(Röcken, Sössen). Neben dem Verlust ihrer Heimat führen sie gegeneine Abbaggerung die Umweltverschmutzung ins Feld. Braunkohle sei einKlimakiller, bei der Verstromung werde schädliches Kohlendioxidfreigesetzt.
«Deutschlandweit soll der Ausstoß gesenkt werden. Zu diesemVorhaben passt das Kraftwerk, das hier gebaut werden soll, überhauptnicht», meint Küster. Trotz der Proteste stimmte der Kreistag mit denStimmen von CDU, SPD, FDP und Linken für den Abbau von Braunkohle imBurgenlandkreis, nur die Grünen votierten dagegen.