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Bundeswehr in Hohenmölsen Bundeswehr in Hohenmölsen: Angst vor der Abrüstung

Von Jan Wätzold 27.10.2004, 19:55

Hohenmölsen/MZ. - Streng genommen ist Rolf Prüfe seit gerade zwei Jahren Hohenmölsener. Erst mit der Eingemeindung des kleinen Dorfes Wählitz zum Städter geworden, ist der ehemalige Heizer allerdings über eine bekannte Adresse des größeren Nachbarortes schon länger im Bilde. Von seinem Grundstück in der Wiesenstraße hat Prüfe einen freien Blick auf Sachsen-Anhalts südlichsten Bundeswehrstandort. Ende der siebziger Jahre als Kind des Kalten Krieges für die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR errichtet, thront hoch über der Stadt die nach der Wiedervereinigung nach Freiherr Heinrich August von Helldorff benannte Kaserne des Panzerflugabwehrkanonenbataillons 131.

Während die Nachricht von der drohenden Schließung der Kaserne im Hohenmölsener Rathaus am Dienstag wie eine Bombe einschlug, übt sich Rolf Prüfe in psychologischer Schadensbegrenzung. "Ohne den ständigen Verkehr von und zur Kaserne könnte ich schon besser leben", meint er. Dabei blickt er auf die Bordsteine vor seinem Haus, die die Spuren schwerer Militärtechnik zeigen.

Mehr Vorteile eines Abschieds der Bundeswehr weiß allerdings auch Prüfe nicht zu nennen. Wie Bürgermeister Hans Dieter von Fintel (CDU), für den das Aus der Kaserne eine "schlimme Geschichte" wäre, kennt auch der frühere Kraftwerker jede Menge Leute, die mit dem Abzug der Armee ihren Job verlieren würden: "Ohne die Bundeswehr sähe es hier ganz schön mau aus." Außerdem kümmere sich die Armee über Schulpatenschaften und Sportkooperationen auch um soziale Belange.

Neben dem Braunkohle-Unternehmen Mibrag ist die Bundeswehr der größte Arbeitgeber in Hohenmölsen und Umgebung. Knapp 700 Frauen und Männer stehen in der Helldorff-Kaserne in Lohn und Brot - uniformierte und zivile.

Wie viele Menschen darüber hinaus finanziell vom Abzug der Soldaten betroffen wären, ist schwer abzuschätzen. Viele Gastwirte, Einzelhändler und Handwerker machen sich allerdings keine Illusionen, dass die Abrüstung in der Nachbarschaft spurlos an ihnen vorüber gehen könnte.

Seit 1927 ist die "Bäckerei Hanke" für die Qualität ihrer Produkte bekannt. Neben etlichen Hohenmölsenern, die extra der Brötchen wegen nach Wählitz kommen, schätzen auch die Soldaten der benachbarten Kaserne das Backwerk. Jeden Morgen stürmen hungrige Militärs den kleinen Laden, jeweils freitags werden hunderte Brote und Brötchen mit auf die Heimfahrt genommen - bis nach Augsburg, Stuttgart und Frankfurt am Main.

Bäckermeister Reinhard Hanke kann sich nur schwer vorstellen, wie es ohne die zuverlässigen Abnehmer weitergehen soll. "Und so geht es nicht nur mir, sondern vielen Kollegen", so der 64-Jährige.