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Bundesgartenschau in Havelberg Bundesgartenschau in Havelberg: Eine Kirche blüht auf

Von Alexander Schierholz 17.04.2015, 17:51
Pfarrer Städler (l.) und Chefgärtner Berger in der Kirche
Pfarrer Städler (l.) und Chefgärtner Berger in der Kirche Andreas Stedtler Lizenz

Havelberg - Eine Blumenausstellung? In einer Kirche? Diskussionen, sagt Frank Städler, habe es natürlich gegeben. In der Gemeinde, im Gemeindekirchenrat. Aber als Städler, 46, vor drei Jahren sein Amt als evangelischer Pfarrer in Havelberg antrat, war die Entscheidung schon gefallen: Die St. Laurentiuskirche mitten in der Altstadt wird während der Bundesgartenschau (Buga) zur Blumenhalle.

Am Sonnabend öffnet die Buga ihre Tore für das Publikum. Nach Cottbus, Magdeburg, Potsdam, Gera und Schwerin ist es die sechste bundesweite Leistungsschau der Gärtner und Floristen in Ostdeutschland, und die zweite in Sachsen-Anhalt. Zumindest zum Teil.

Denn das besondere an dieser Buga sind nicht nur Blumenausstellungen in Kirchen. Erstmals findet die Schau an fünf Standorten statt, verteilt auf zwei Bundesländer. Wie an einer Perlenschnur reihen sich die Stationen auf 80 Kilometer entlang der Havel - von Havelberg über Rhinow, Rathenow und Premnitz bis nach Brandenburg an der Havel. Auch dort werden Blumen in einer Kirche, eine Ruine aus dem Zweiten Weltkrieg, gezeigt - schlicht aus Platzmangel: Für den Aufbau einer herkömmlichen Blumenhalle fand sich kein Ort. Später wurde die Idee nach Havelberg exportiert.

7.000-Einwohner-Stadt

Die 7.000-Einwohner-Stadt ganz im Norden Sachsen-Anhalts hat sich fein gemacht für die Buga. Straßen wurden saniert, Häuser in der auf einer Insel in der Havel gelegenen Altstadt glänzen in frischen Farben. Am Havelufer, gegenüber der Werft, wartet ein neuer Spielplatz auf Besucher. Vor der St. Laurentiuskirche ragen Palmen in großen Töpfen in den Himmel. Das Kirchenschiff hat sich in ein Blütenmeer verwandelt. Zwei Tage vor der Eröffnung wird immer noch gepflanzt was das Zeug hält. Unablässig tragen Gärtner Topfpflanzen und Säcke voller Blumenerde in die Kirche. „Am Ende ist das eine Punktlandung“, sagt ein Buga-Mitarbeiter.

Nur am „Haus der Flüsse“ wird es mit der Punktlandung nichts werden. Das große Gebäude am Ufer gegenüber der Altstadtinsel, geschwungen, die Fassade mit hellem Holz verkleidet, soll das neue Besucherzentrum des Biosphärenreservats Mittelelbe werden. Handwerker wuseln durch die Räume und die Außenanlagen - zur Buga-Eröffnung wird das Gebäude nicht fertig. Viele in Havelberg bedauern das.

„Nicht unsere Baustelle“, heißt es bei der Buga. Das stimmt zwar, denn das „Haus der Flüsse“ soll auch ohne Gartenschau-Ticket besucht werden können. Es ist kein Buga-Projekt. In der Stadt aber wird es von vielen so wahrgenommen. Beim Biosphärenreservat sprechen sie von einem späten Baubeginn erst Ende Juni vergangenen Jahres, es fehle schlicht an Zeit. Immerhin: Das Freigelände mit einem Wasserspielplatz und diversen Umweltbildungsstationen soll zum Buga-Start fertig sein.

Trotz solcher Rückschläge, für Havelberg und die Region ist die Buga ein gigantisches Konjunkturprogramm. Sie sei, schwärmt Bernd Poloski, „eine außergewöhnliche Chance, die Stadt aufzuwerten“. Der parteilose Bürgermeister, 57, berichtet von vielen regionalen Handwerksfirmen, die Aufträge erhalten hätten, von öffentlichen Fördermitteln, mit deren Hilfe man private Hausbesitzer habe motivieren können, ihre Häuser auf Vordermann zu bringen.

So wie Uta Breitmeier. Seit 1991 betreibt sie die „Havel-Buchhandlung“ in einer kleinen Straße unweit des Marktplatzes. Nachdem die Havelregion 2008 den Zuschlag für die Buga erhalten hatte, begann sie ihr Haus zu renovieren. „Das war so der erste Schritt.“ Weitere folgten: Breitmeier tat sich mit einem Fotografen zusammen, gab einen Bildband über Havelberg heraus.Vor kurzem folgte eine Broschüre, mit Bildern aus dem Buch. Klar, dass sie nun noch Balkonkästen an die Fassade hängen und bepflanzen wird, eine Bank vor den Laden stellen wird und Blumen darauf. „Man muss doch vorbereitet sein.“

Findet auch Gudrun Krüger. Sie führt einen Geschenkeladen am Rand der Altstadtinsel, gleich auf dem Weg zum Buga-Gelände im Dombezirk. Eigentlich eine gute Lage, um Besucher ins Geschäft zu locken. Sie hat sich ein Buga-Souvenir einfallen lassen, das, wenn man so will, auf der Zunge zergeht: eisblaue Pfefferminz-Bonbons, die „Buga-Taler“.

Große Hoffnungen

Krüger sagt, die ganze Region setze große Hoffnungen in die Bundesgartenschau. Havelberg, gelegen am Elbe- und am Havel-Radweg, lebt vom Tourismus, viel anderes gibt es nicht: Kleine Handwerker und mittelständische Unternehmen dominieren, eine Werft, Fahrzeug- und Möbelbau. Die Hoffnungen richten sich darauf, dass Buga-Besucher von der Stadt so beeindruckt sind, dass sie auch wiederkommen, wenn die Schau längst vorbei ist. „Vielleicht sogar zu einem Kurzurlaub“, sinniert Buchhändlerin Breitmeier, „das wäre doch schön.“

Öffnungszeiten: Die Buga ist vom 18. April bis 11. Oktober von 9 Uhr bis Einbruch der Dunkelheit geöffnet.

Eintritt: 20 Euro für einmaligen Besuch aller fünf Standorte (ermäßigt 18, Kinder und Jugendliche von 7 bis 17 Jahren 2 Euro, Kinder bis 6 Jahre frei). Dauerkarte 90 (ermäßigt 80) Euro. Feierabendticket ab 17 Uhr einmalig 10 Euro, Dauerkarte 45 Euro.

Anreise: Zwischen Brandenburg, Premnitz und Rathenow fährt die Regionalbahn im Stundentakt, zwischen Rathenow, Rhinow/Stölln und Havelberg verkehrt ein Bus. (mbo)

Informationen und Tickets: www.buga-2015-havelregion.de

Dann, wenn auch aus der St. Laurentiuskirche die Blumen wieder verschwunden sind. Aber jetzt geht es dort ja gerade erst los. Rainer Berger steht inmitten all der Blütenpracht. Der Buga-Chefgärtner, 62, ist seit Jahrzehnten im Geschäft, aber eine Kirche als Blumenhalle, das ist auch für ihn neu. Erste Herausforderung: Die Kirche ist kalt. Also müssen sie heizen, wenigstens ein bisschen. Zweite Herausforderung: Sie brauchen mehr Licht. Dritte Herausforderung: Es darf nicht zu feucht werden, das bekommt dem alten Gemäuer nicht. Also wird es keine großflächigen Beete geben, die intensiv gegossen werden müssen, sondern kleinere Pflanzkübel und -pötte.

Eine Blumenschau im Gotteshaus - Pfarrer Frank Städler und seine Gemeinde begreifen das als Chance. Wegen mangelhafter Dachsanierung sei die Kirche aus dem 14. Jahrhundert seit 2011 gesperrt gewesen, erzählt Städler. „Ohne die Gartenschau hätten wir nie so viele Fördermittel für die Sanierung bekommen.“ (mz)