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Buchenwald Buchenwald: Auf den Spuren der eigenen Familie

Von MARKUS GÜNTHER 03.06.2009, 17:21

WASHINGTON/MZ. - Der 84-jährige Rentner aus Chicago, eigentlich ein Großonkel des US-Präsidenten - hat wenig Interesse daran, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Doch so ganz lässt sich das derzeit nicht vermeiden. Denn durch Payne war Barack Obamas Familie an einem dramatischen Stück Weltgeschichte unmittelbar beteiligt: Als junger US-Soldat gehörte Payne zu den ersten Amerikanern, die ein deutsches Konzentrationslager befreiten.

Nun wird Obama den Ort besuchen, an dem sich für ihn Welt- und Familiengeschichte verbinden; die Gedenkstätte des KZ Buchenwald bei Weimar.

Stele zur Erinnerung

Charles Payne gehörte allerdings nicht zu der Einheit, die das eigentliche Lager Buchenwald befreite, sondern zu einem Regiment, das schon Tage zuvor, am 4. April 1945, zunächst das "Häftlingslager S III" im Jonastal (Region Ohrdruf), eine Außenstelle des KZ Buchenwald, erreichte. An das Lager erinnert heute nur noch eine einfache Stele. Als Kulisse für Obamas Reise in die Vergangenheit taugt der Ort nicht. Das ist der Grund, warum die Strategen im Weißen Haus die Gedenkstätte Buchenwald ausgesucht haben und die historische Unschärfe in Kauf nehmen.

Obama kennt die Geschichte des Onkels aus Erzählungen seiner Großmutter, der Schwester Paynes. Der Veteran selbst hat, wie die meisten seiner Generation, über seine Erlebnisse geschwiegen. Doch seit Obama ihn berühmt gemacht hat, melden sich Journalisten aus aller Welt bei ihm, die genau wissen wollen, wie das damals war. "Ich erinnere mich an eine Gruppe toter Häftlinge, die da in ihrer Kluft am Boden lagen. Viele hatten die Blechnäpfe noch in der Hand, weil sie wohl um etwas zu essen angestanden hatten. Dann waren sie mit Maschinengewehren erschossen worden." Eingeprägt hat sich auch die Erinnerung an einen "Schuppen mit einem Stapel Leichen" und der schlimme Zustand der Überlebenden, die bis auf die Knochen abgemagert waren. "Die waren alle nahe am Verhungern", sagt Payne.

Prägende Erinnerung

Payne war als 18-Jähriger 1943 mit allen anderen Jungs seiner Highschool-Klasse in Kansas eingerückt und Anfang 1945 durch Frankreich und Luxemburg nach Deutschland einmarschiert. Als sie das Lager bei Ohrdruf erreichten, nahmen die US-Soldaten zunächst an, dass es sich um das berüchtigte Lager Buchenwald handelt. Als sie Tage später das Hauptlager erreichten, kam auch General Dwight D. Eisenhower, der Journalisten und Fotografen mitbrachte. Die Bilder aus Buchenwald prägen bis heute die amerikanische Erinnerung an die deutschen Konzentrationslager.

Payne kehrte ein Jahr später in die USA zurück. Er wurde stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek Chicago. Die Erinnerungen an das Lager haben ihn geprägt: "Ich habe damals gesehen, was Menschen Menschen antun können und was ein Staat tun kann, den niemand kontrolliert."