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Braune Apfelpest Braune Apfelpest: Pflanzenkrankheit Feuerbrand wütet am Süßen See

Von Jan-Ole Prasse und Christian Schafmeister 09.07.2013, 18:08
Arbeiter des Obsthofes in Aseleben sind seit drei Wochen dabei, die Brachflächen rund um die Apfelplantagen zu roden und das Gestrüpp zu verbrennen. Damit soll die Ausbreitung der Pflanzenseuche Feuerbrand verhindert werden. Die weißen Schutzanzüge müssen deswegen nach jedem Einsatz verbrannt werden.
Arbeiter des Obsthofes in Aseleben sind seit drei Wochen dabei, die Brachflächen rund um die Apfelplantagen zu roden und das Gestrüpp zu verbrennen. Damit soll die Ausbreitung der Pflanzenseuche Feuerbrand verhindert werden. Die weißen Schutzanzüge müssen deswegen nach jedem Einsatz verbrannt werden. A.Stedtler Lizenz

Aseleben/MZ - Der Blick auf den Süßen See vom Berg in Aseleben (Mansfeld-Südharz) ist malerisch. Aber die Idylle trügt, denn auf den Hängen mit den Apfelplantagen spielt sich gerade ein Drama ab. Wie in einem Seuchen-Film aus Hollywood ziehen Arbeiter in weißen Ganz-Körper-Anzügen durch die angrenzenden Hecken und roden alles ab. In zehn Metern Entfernung lodert ein großes Feuer, in das regelmäßig das Gestrüpp, aber auch die abgeschnittenen Apfelzweige geworfen werden. „Das ist so bitter, wenn sie die harte Arbeit von Monaten ins Feuer schmeißen“, sagt Mirko Brömme, einer der Arbeiter auf dem Obsthof in Aseleben.

Der ist einer der von der Pflanzenseuche Feuerbrand am stärksten betroffenen Betriebe in der Region Süßer See und Helfta. Mittlerweile ist auf 90 von insgesamt 130 Hektar Apfelbaumplantagen das Bakterium nachgewiesen. „Das geht an die Existenz“, sagt der Geschäftsführer Philipp Moser: „Der Feuerbrand kann innerhalb von Tagen ganze Plantagen befallen und niederlegen.“

Wichtig ist die Rodung der Wirtsbäume

Dabei wirkt der Befall auf den ersten Blick relativ harmlos. An einem gut einen Meter langen Ast ist nur ein kleiner Zweig braun verfärbt. Er sieht aus, als wäre er vertrocknet. „Aber anders als beim Vertrocknen lassen sich die Blätter weiter rollen und zerbröseln nicht“, sagt Mirko Brömme. Und die Wirkung ist weitaus dramatischer.

Denn gegen den Feuerbrand hilft nur eines: Wegschneiden. Ein Pflanzenschutzmittel gibt es gegen das Bakterium nicht. Einzig Antibiotika könnten helfen, doch deren Einsatz ist verboten. Und so geht Geschäftsführer Moser jeden Morgen durch die Apfelplantagen und sucht nach neuen befallenen Zweigen.

Wenn er etwas findet, dann muss der ganze Ast bis in das gesunde Holz hinein weggeschnitten und noch vor Ort verbrannt werden. Das Bittere dabei: Nicht nur ein großer Teil der aktuellen Ernte wird vernichtet, sondern auch der Ertrag der nächsten Saisons. „Es wird mindestens zwei oder drei Jahre dauern, bis das alles wieder nachgewachsen ist“, sagt der 38 Jahre alte Geschäftsführer. Auch die Schutzanzüge müssen nach jedem Einsatz verbrannt werden, auf ihnen haftet das Bakterium.

Bei der Bekämpfung geht es im Moment nicht mehr in vorderster Linie um die Plantagen. Wichtiger ist die Rodung der Wirtsbäume - am Süßen See ist das vor allem der Weißdornstrauch. In ihm schlummert der Feuerbrand jahrelang latent unter der Rinde. „Erst wenn die klimatischen Verhältnisse passen, dann bricht das Bakterium aus“, sagt Ursel Sperling von der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau in Bernburg, die seit Tagen Apfelbäume auf den Erreger testet. Und die Bedingungen waren in diesem Jahr mit einem feuchten und gleichzeitig warmen Sommer beinahe ideal. Das Bakterium wird dann über Vögel oder Insekten übertragen. Deswegen hat der Landkreis alle Imker aufgefordert, ihre Bienenvölker aus den betroffenen Gebieten abzuziehen.

Rund 600 Hektar Anbau- und Brachflächen betroffen

„Ich sehe derzeit überall nur noch Weißdorn“, sagt Moser, der gestern dem Abteilungsleiter Landwirtschaft im Landesumweltministerium, Hans-Jürgen Schulz, das Ausmaß der Feuerbrand-Seuche zeigte. Denn alleine schaffen es seine Mitarbeiter, die örtlichen Feuerwehren und die Gemeindeverwaltung nicht mehr gegen den Weißdorn. Der steht am Süßen See überall im Unterholz auf den Hängen. Um dem Herr zu werden, wird das Landwirtschaftsministerium ab heute rund 100 Mitarbeiter der Forstverwaltung einsetzen. Vor allem um den Weißdorn zu roden und zu verbrennen. „Wir werden uns von einer befallenen Plantage aus ringförmig durchkämpfen, bis wir den Befall gestoppt haben“, sagte Schulz.

Die Pflanzenkrankheit Feuerbrand, die Quitten-, Birnen- und Apfelbäume bedroht, treibt Obstbauern und Kleingärtnern am Süßen See (Mansfeld-Südharz) Sorgenfalten auf die Stirn. Woher kommt die Krankheit und was kann man dagegen tun? Die MZ beantwortet mit Hilfe von Matthias Hinz wichtige Fragen. Er lehrt Obstbau am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Universität Halle.

Der Feuerbrand wird von Bakterien übertragen und befällt vor allem Kernobstgewächse. Gefährdet sind Quitten-, Birnen- und Apfelbäume. Dagegen sind etwa Kirschen, Pflaumen und Aprikosen nicht betroffen. An befallenen Pflanzen welken Blüten und Blätter und verfärben sich braun oder schwarz - der Baum sieht dann wie verbrannt aus, daher der Name Feuerbrand. Junge Pflanzen sterben in wenigen Wochen. Bei älteren Pflanzen breiten sich die Bakterien über Jahre aus und lassen sie ebenfalls absterben.

An den Früchten tritt Bakterienschleim aus, der durch Insekten (Honigbiene), Vögel, Regen und Wind übertragen werden kann - aber auch durch Schnittwerkzeuge, wenn befallene Bäume ausgeästet werden, ohne die Schere hinterher zu desinfizieren. Ein typischer Übertragungsweg: Ein Vogel pickt an einer kranken Frucht und überträgt dann den Feuerbrand auf einen gesunden Baum, wenn er dort zum Fressen hinfliegt.

Der Feuerbrand wurde aus Amerika durch importierte Pflanzenware nach Europa eingeschleppt. 1957 trat die Krankheit erstmals in Südengland auf, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre dann erstmals auch in Deutschland. In der DDR gab es damals große Rodungs- und Verbrennungsaktionen mit Hilfe der Armee. Danach wurden etwa in der DDR kaum noch Quitten und weniger Birnen angepflanzt. Die Bakterien halten sich aber in insgesamt 170 Pflanzenarten, meist aus der Familie der Rosengewächse. So sind etwa Weißdorn, Misteln oder das Ziergewächs Cotoneaster bevorzugte Wirtspflanzen, von denen quasi jederzeit eine Übertragung ausgehen kann.

Zwei Dinge kommen zusammen. Zu DDR-Zeiten gab es am Süßen See ein geschlossenes Obstanbaugebiet mit 2 800 Hektar - da wurden alle Bäume ständig kontrolliert. Heute gibt es hier nur noch auf insgesamt 300 Hektar Obstanbau und es gibt viele Brachflächen, die kaum noch einer begeht und kontrolliert. Dadurch kann der Feuerbrand unbemerkt ausbrechen und sich ausbreiten. Zweitens sind die Obstbäume in diesem Jahr durch die lange Winter- und Frostperiode und die vielen Warm-kalt-Phasen bis in die Blütezeit hinein stark geschwächt worden. Dadurch sind sie leichter anfällig für diese Bakterien. Das ist wie beim Immunsystem des Menschen: Ist es geschwächt, wird er leichter krank.

Natürlich sind bei den vielen Übertragungswegen auch in der Nähe liegende Gärten gefährdet. Rechtzeitige Pflanzenhygiene - also das schnelle Entdecken und Eindämmen des Feuerbrandes - ist eine Abwehrmaßnahme. Wer als Obstbauer oder Kleingärtner befallene Pflanzen sieht, muss das beim zuständigen Pflanzenschutzamt melden. Das entscheidet dann, ob zurückgeschnitten oder gerodet werden muss. Aber Achtung: Keine Panik! Es gibt auch andere Pflanzenkrankheiten, die „Feuer“-Spuren auf den Blättern hinterlassen. Es sollten in jedem Fall die Experten gefragt werden. Pflanzenschutzmittel gegen Feuerbrand gibt es nicht. Gegen das früher verwendete Antibiotikum Streptomyzin sind die Bakterien inzwischen resistent. „Das wirksamste Mittel gegen Feuerbrand ist der Anbau resistenter Obstsorten, die die Krankheit nicht bekommen“, betont Hinz. Er verweist auf dreifach resistente Apfelsorten wie „Remo“ oder „Rebella“ aus Dresden-Pillnitz (resistent gegen die Pilze Schorf und Mehltau sowie gegen den Feuerbrand). Oder auf die Birnensorte „Uta“. Die erhielt den Namen der Stifterfigur des Naumburger Doms, weil diese widerstandsfähige Sorte hier durch Kreuzung gezüchtet wurde. (hak)

Die Arbeit könnte die nächsten Wochen dauern. Mittlerweile sind nach Schätzungen rund 600 Hektar Anbau- und Brachflächen vom Feuerbrand betroffen. „Das ist schon ein wirklich großer Fall von Feuerbrand“, bekräftigt Annette Küsterer, Dezernentin in der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Zwar sei die Krankheit in den vergangenen Jahren mehrfach ausgebrochen. „Meistens waren aber nur einzelne Anlagen von höchstens fünf Hektar betroffen.“ Nach Angaben des Umweltministeriums gab es den letzten großen Ausbruch der Krankheit 2008 in Baden-Württemberg. In Sachsen-Anhalt habe es nach der Wende keinen vergleichbaren Fall gegeben.

Für den Obsthof in Aseleben geht es in den nächsten Wochen um sehr viel. Denn die Apfelernte ist das Herzstück des Betriebes. Auf mehr als der Hälfte der Anbaufläche werden Apfelbäume gepflanzt. Und so lange der Feuerbrand nicht besiegt ist, können auch keine neuen gepflanzt werden. „Ich habe vor kurzem erst zwei Hektar Kirschbäume gerodet, um dort Äpfel anzupflanzen. Was mache ich jetzt mit der Fläche“, sagt Moser ratlos.

Denn insgesamt ist die Ernte in diesem Jahr schlecht. Der lange und harte Winter hat von den Aprikosen nichts übrig gelassen. Auch die Kirsch- und Pflaumenblüten waren durch den Frost betroffen. Und jetzt noch der Feuerbrand. Moser sagt: „Das ist ein Jahr vollkommen zum Vergessen.“

Geschäftsführer Philipp Moser hält einen befallen Zweig in den Hand.
Geschäftsführer Philipp Moser hält einen befallen Zweig in den Hand.
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