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Brandenburg Brandenburg: Wittenberge will schlechten Ruf loswerden

Von Georg-Stefan Russew 28.08.2012, 08:04
Bauarbeiten an der neuen Hafenpromenade in Wittenberge (ARCHIVFOTO: DPA)
Bauarbeiten an der neuen Hafenpromenade in Wittenberge (ARCHIVFOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Wittenberge/dpa. - Monumental überragen die Türme des ehemaligen Nähmaschinenwerks „Veritas“ Wittenberge und erinnern schmerzvoll an die große industrielle Geschichte der Elbestadt. Nach der Wende abgewickelt, begann mit der „Veritas“-Schließung der wirtschaftliche wie soziale Niedergang. Seit einiger Zeit passe aber dieses Klischee nicht mehr, sagt Bürgermeister Oliver Hermann (parteilos). Wittenberge erhole sich langsam vom Negativtrend der vergangenen 20 Jahre. Dazu tragen Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Prignitzer Chemie, der neue Elbeport und der Kulturtourismus bei.

„Wir können mit Städten aus dem Berliner Speckgürtel wieder gut mithalten“, stellt Hermann fest. In der Elbestadt fänden Firmen gut ausgebildetes Fachpersonal und große Industrieflächen. Als ein Beispiel gilt das Bahninstandhaltungswerk. Der Betrieb ist innerhalb der vergangenen fünf Jahre um 500 auf aktuell 1100 Mitarbeiter gewachsen. Hermann: „Und die Bahn hat in Zukunft noch mehr bei uns vor.“ Gerade baue das Unternehmen hier für 6,5 Millionen Euro ein Lager- und Logistikzentrum. Weitere Millioneninvestitionen sollen folgen.

Aber natürlich läuft bei weitem noch nicht alles rund. Auch Bürgermeister Hermann kennt die 360 Seiten starke Studie „ÜberLeben im Umbruch“, in der Soziologen Wittenberge von 2007 bis 2010 unter die Lupe genommen haben. Laut Projektleiter Heinz Bude hat sich die Stadt „vom Musterknaben des europäischen Ostblocks zum armen Vetter der Bundesrepublik“ entwickelt. Denn nach der Wende erlebte Wittenberge einen enormen industriellen Aderlass: Drei von vier Großbetrieben wurden geschlossen; mehr als 10 000 Arbeitsplätze gingen verloren; knapp 12 000 Bewohner kehrten daraufhin ihrer Heimatstadt den Rücken.

Zwar spüre man auch hier den fortschreitenden demografischen Wandel,„die Negativstadt Ostdeutschlands sind wir aber bei weitem nicht“, wehrt sich Hermann. „Die Stadt Wittenberge ist besser als ihr Ruf“, betont auch Bahnwerk-Chef Dietmar Schmidt. Die Stadt habe sich mächtig entwickelt. Mittlerweile gebe es in der Region wieder berufliche Perspektiven. Nachwuchsprobleme habe Schmidts Werk nicht. Die 136-jährige Tradition am Standort Wittenberg sorge dafür, dass ganze Generationen im Bahnwerk arbeiteten.

Wichtige Impulse setzt auch der vor drei Jahren neu eröffnete Elbehafen. Knapp sechs Millionen Euro wurden in das Projekt investiert. Drei Liegeplätze für Binnenschiffe mit direktem Schienen- und Straßenzugang sind entstanden. Heute werden Getreide, Biodiesel und Wasserbausteine abtransportiert sowie Container für das Werk der Prignitzer Chemie gebracht. „Der Hafen floriert“, bilanziert Elbeport-Chef Jürgen Thies. Im ersten Jahr seien 60 000 Tonnen bewegt worden. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es schon knapp 80 000 Tonnen. Thies: „Das beweist doch, dass wir Hafen können.“

Der Elberadweg trage außerdem mittlerweile stark zur Auslastung des Gastgewerbes bei, berichtet Stadtsprecherin Christiane Schomaker. Dazu komme der Kulturtourismus, vor allem mit Konzertveranstaltungen auf der Elbland-Bühne, die am Platz der Alten Ölmühle entstand. Das Programm umfasst Operetten ebenso wie Schlager, das Publikum kommt aus Hamburg wie aus Berlin.

Auch von der Anbindung Wittenberges an die verlängerte Autobahn 14 verspricht man sich viel. Bürgermeister Hermann zufolge laufen schon vielversprechende Gespräche mit Investoren - „und denen ist die Studie egal“. „Die fragen, was passiert, wie die Stadtverwaltung aufgestellt ist, wie hoch die Wohnpreise sind. Und dann fangen die an oder nicht.“