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Bock auf Böcke Bock auf Böcke: Zu Gast auf der größten Schafsauktion Mitteldeutschlands

Von Julius Lukas 29.03.2019, 11:00
Der Nachwuchs der Schäfer: In der Berufsgruppe, die eher von älteren Männern dominiert wird, ist Alice Keller eine Ausnahme.
Der Nachwuchs der Schäfer: In der Berufsgruppe, die eher von älteren Männern dominiert wird, ist Alice Keller eine Ausnahme. Julius Lukas

Mister Kölsa ist ein wuchtiger Kerl. Am Donnerstagvormittag schreitet der 132-Kilo-Bock strammen Schrittes durch den Führring. Der Körper aufrecht, die Wolle edel weiß. Er stolziert vor den Augen des Publikums. Er präsentiert sich.

Doch die Bieter reagieren verhalten. 600 Euro, der Einstandspreis, wurden noch nicht geboten. Dabei ist „Mister Kölsa“ schon eine Runde gelaufen. Zuvor hatte Cornelia Stolberg, die das Merinofleischschaf durch den Ring führt, gesagt, dass 1 500 bis 2 000 Euro für ihr Prachtexemplar schon schön wären. Doch die Bieter zieren sich noch etwas.

200 Böcke kommen in Kölsa unter den Hammer

Die Zurückhaltung liegt wohl auch daran, dass „Mister Kölsa“ das erste Schaf ist, das bei der 12. Mitteldeutschen Bockauktion vorgeführt wird. Der vorderste Startplatz ist dabei eigentlich ein Privileg. Denn am Vortag wurde der Premium-Bock zum Sieger seiner Rasse gekürt. Unter den Merinofleischschafen ist er das merinofleischschafigste. Zum Titel gab es auch noch den wohlklingenden Namen „Mister Kölsa“ dazu. Die Auktion findet nämlich in einem Stall in Kölsa statt, einem kleinen sächsischen Dorf im Grenzland zu Sachsen-Anhalt.

Fast 200 Böcke verschiedener Rassen kamen dort am Donnerstag unter dem Hammer. „So viele hatten wir schon lange nicht mehr“, sagt Hans-Jörg Rösler. Er ist als Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbandes so etwas wie der Oberhirte Sachsen-Anhalts. Zig Auktionen hat Rösler schon begleitet. Und von der Auswahl in Kölsa ist er durchaus angetan: „Es ist ein guter Jahrgang, gute Wollen, gute Körper“, meint Rösler. Da könne man bedenkenlos kaufen.

Die Preise klettern

Das tun die Schaffreunde dann auch. Als „Mister Kölsa“ zu seiner zweiten Runde ansetzt, fliegen die ersten Gebote in den Ring. Der Preis klettert im Sekundentakt: 600, 650, 800 Euro. Man merkt nun, dass das Publikum Bock auf Böcke hat. Mitte der dritten Runde sind die 1 000 Euro überschritten. Nach der vierten bleibt der Preis dann bei 1 500 Euro stehen. Der Hammer fällt, das Schaf ist verkauft.

Zurück an ihrer Box schaut Cornelia Stolberg nicht unglücklich, aber auch nicht ganz zufrieden. „Das Gebot hätte schon ein bisschen höher sein können“, sagt sie. Mit ihrem Sohn Peter züchtet sie seit vielen Jahren Merinofleischschafe in der Nähe von Hettstedt (Mansfeld-Südharz). „Es gab auch schon Zeiten, da haben wir Böcke für 4 000 Euro verkauft“, sagt sie. Aber das sei schon eine Weile her.

Der Preis zu gering? Das sieht Axel Weinhold naturgemäß anders. Er ist der Käufer von „Mister Kölsa“. „Der hat mir sofort gefallen“, sagt der Schäfer aus Riesa (Sachsen) und schwärmt, wie nur ein Schäfer schwärmen kann: „Die Wolle ist sehr weiß, er steht sauber in den Knochen und die Keulen, die sind richtig schön“, sagt Weinhold. Nur der Preis habe ihm wehgetan. „1 500 Euro - so viel habe ich noch nie für ein Schaf ausgegeben.“

Um das Loch im Budget wieder zu stopfen, hat Weinhold selbst drei Böcke mit nach Kölsa gebracht. Die will er gewinnbringend verkaufen. Und schnell geht der Blick des Schäfers auch wieder nach vorne. Ab August komme „Mister Kölsa“ in seine neue Herde. „Dann soll er dort für Nachwuchs sorgen.“ Und auch wenn der Extraklasse-Bock nicht leistet, wofür er eingekauft wurde, wäre das kein Problem. „Denn es gibt eine Versicherung, die einspringt, wenn er nicht fruchtbar ist.“ Der Auktionspreis werde dann ersetzt. Eine Art Geld-zurück-Garantie bei ausbleibendem Zuchterfolg.

Es zählen die äußeren und die inneren Werte der Schafe

Zuchterfolg - darum geht es allen, die am Donnerstag bei der Auktion mitbieten. Es ist eine geschäftige Stimmung in dem Stall, in dem es in guten Momenten nach frischem Stroh riecht - und in schlechten nach Schaf. Auf Zetteln werden Preise und Kalkulationen notiert. Mit Kollegen wird über einzelne Tiere gefachsimpelt. Und manch ein Bock-Bieter springt schon mal zu den Vierbeinern in die Box und geht auf Tuchfühlung. Dann werden die Zähne und Füße begutachtet - und mitunter auch ein Blick zwischen die Hinterbeine gewagt.

Worauf es bei den Böcken ankommt, das weiß Bernd Ehrenberg ziemlich genau. Die Schäferei habe er mit der Muttermilch aufgesogen, sagt der 61-Jährige aus Lüttchendorf (Mansfeld-Südharz). Dort züchtet er Dorper-Schafe, eine südafrikanische Rasse ohne Wolle. „Die scheren sich von alleine“, sagt Ehrenberg. Ein Vorteil, denn Wolle sei ohnehin nicht mehr viel Wert. „Das ist eigentlich nur noch ein Abfallprodukt.“

Ehrenberg ist jedoch nicht nur als Züchter in Kölsa, sondern auch als einer der acht Preisrichter. „Für jedes Tier gibt es in Zuchtbüchern festgelegte Standards“, erklärt er. Beim Bewerten schaue man deswegen, wie nah jedes Tier an dieses „perfekte Schaf“ heran komme.

„Mister Kölsa“ im Gepäck

Allerdings geht es nicht nur um das Aussehen der Tiere. „Es zählen die äußeren und die inneren Werte der Schafe“, sagt Ehrenberg. Mit inneren Werten sind dabei Parameter wie die tägliche Zunahmen, das Muskel-Fett-Verhältnis oder die Abstammung gemeint. Bis zur Großmutter werde geschaut, wie viele Lämmer die geworfen habe. „Man muss zudem ziemlich genau auf die Blutlinie achten, damit es nicht zu Inzucht kommt“, sagt Ehrenberg.

Außen wie innen gut gepasst hat es anscheinend bei dem schwarzköpfigen Fleischschaf von Tilo Koepke aus Großpösna (Sachsen). Sein 168-Kilo-Bock wechselte zum Tageshöchstpreis von 3 000 Euro den Besitzer. „Das Schaf hat einen super Rahmen und ein richtig gutes Fundament, mit dem er das Gewicht auch tragen kann“, erklärt der Schäfer seinen Bestseller des Tages. Darüber hinaus wurden von den 193 Böcken 143 verkauft. „Ungefähr 75 Prozent versteigert - das ist schon ein gutes Ergebnis“, resümiert Oberhirte Hans-Jörg Rösler die Auktion in Kölsa.

Und auch Axel Weinhold ist am Ende des langen Tages zufrieden. Zwei seiner drei eigenen Böcke hat er gewinnbringend verkauft. Mit einem kleinen Minus fährt er trotzdem nach Riesa zurück. „Dafür ist der Mister Kölsa 2019 bei mir im Gepäck“, sagt der Schäfer. Für den habe sich die Reise zur Auktion aber allemal gelohnt. (mz)

So sieht ein teures Schaf aus: Der Bock der Rasse schwarzköpfiges Fleischschaf (links) wurde für 3.000 Euro versteigert. Tageshöchstpreis bei der Mitteldeutschen Bockauktion 2019.
So sieht ein teures Schaf aus: Der Bock der Rasse schwarzköpfiges Fleischschaf (links) wurde für 3.000 Euro versteigert. Tageshöchstpreis bei der Mitteldeutschen Bockauktion 2019.
Julius Lukas
Axel Weinhold hat für seinen Kauf nur halb so viel Geld wie für den teuersten Bock des Tages ausgegeben. Er bezahlte 1.500 Euro für ein Merinofleischschaf.
Axel Weinhold hat für seinen Kauf nur halb so viel Geld wie für den teuersten Bock des Tages ausgegeben. Er bezahlte 1.500 Euro für ein Merinofleischschaf.
Julius Lukas