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Biotechnologie  Biotechnologie : Mehr Algen

Von Julia Klabuhn 01.07.2013, 18:02
Die Mikroalgenplattform an der Hochschule Anhalt in Köthen bei ihrer Eröffnung im Mai.
Die Mikroalgenplattform an der Hochschule Anhalt in Köthen bei ihrer Eröffnung im Mai. Archiv/dpa Lizenz

Köthen/MZ - Tiefgrün strömen die Algen durch die Silikonschläuche. In sich nach oben verjüngenden Spiralen sind die Schläuche der Photobioreaktoren angeordnet. Ihr Name deshalb: „Tannenbaum“-Reaktoren. Vier dieser Anlagen gehören zur neuen Mikroalgenplattform, die die Hochschule Anhalt und das Dresdner Unternehmen Gicon GmbH jüngst eröffnet haben. Die Partner wollen hier Steuerungsprozesse bei der Kultivierung von Algen untersuchen. Das Ziel: Eine höhere Ausbeute an den Mikroorganismen, aus denen Arzneiwirkstoffe, Nahrungsergänzungsmittel und künftig sogar Biodiesel gewonnen werden sollen.

Die Erntemenge wird bei Mikroalgen in Gramm pro Liter und Tag angegeben. Während diese bei der Anzucht im Labormaßstab bei rund 0,3 Gramm liegt, soll die neue Mikroalgenplattform ein Gramm pro Liter und Tag liefern. „Wir haben das ehrgeizige Ziel, in der Anlage insgesamt 130 Kilogramm Algentrockenmasse pro Jahr zu produzieren - bei 200 Tagen Betriebszeit“, sagt Carola Griehl, Professorin für Algenbiotechnologie an der Hochschule Anhalt.

Eine höhere Ausbeute kommt den Forschern einerseits zugute, weil sie dann mehr Probenmaterial zur Verfügung haben. Gewinnt man die Algen in kleinen Labor-Anlagen, reiche die geerntete Menge zwar, um Wirkstoffe zu isolieren und ihre Wirkung zu analysieren. Für die Aufklärung der Molekülstruktur der Wirkstoffe sei dann aber möglicherweise kein Probenmaterial mehr vorhanden, erklärt Griehl. Größere Erntemengen in der Algenproduktion seien andererseits wichtig, um die Nutzung der aus den Mikroorganismen gewonnenen Wirkstoffe und Produkte wirtschaftlich zu machen, sagt die Wissenschaftlerin.

Auch wenn Aquarien- und Gartenteichbesitzer einen anderen Eindruck haben: Mikroalgen brauchen besondere, auf ihre Art genau abgestimmte Lebensbedingungen, um zu gedeihen. „Mikroalgen sind Lebewesen. Sie müssen sich wohlfühlen, wenn sie sich gut vermehren sollen“, sagt Griehl. Eine dieser Bedingungen ist das Licht. Die tannenbaumförmige Anordnung der Reaktorschläuche soll den Algen besonders viel davon bieten. Für die richtige Temperatur sorgen die Spezialschläuche aus Silikon - Spezialanfertigungen der Firma Wacker Chemie. Die Schläuche verfügen über einen Innenschlauch, über den man kaltes oder warmes Wasser leiten kann. Je nachdem ob den Algen gerade zu warm oder zu kalt ist.

Um in den Photobioreaktoren die Temperatur, den pH-Wert, den Kohlendioxid- und den Nährstoffgehalt zu regeln, können die Wissenschaftler die Anlage präzise steuern. Zuständig dafür sind Stefan Matthes und Martin Ecke. Eine Software soll Vorhersagen über die Regelung der Parameter treffen. Zum Beispiel abhängig von der Tageslänge oder der Wettervorhersage. „Wenn die Sonne aufgeht, müssen den Algen bereits Kohlendioxid und Nährstoffe zur Verfügung stehen, damit sie sofort mit der Photosynthese beginnen können“, sagt Matthes.

Die Erkenntnisse über die Steuerung der Mikroalgenplattform sei deshalb so wichtig, weil die Erkenntnisse über eine optimale Prozesssteuerung künftig auch für größere Anlagen genutzt werden könnten. So wollen Gicon und die Hochschule Anhalt daran arbeiten, eine Demonstrationsanlage auf einem Hektar Fläche zu realisieren. Dort könnten dann 2 000 Photobioreaktoren stehen, sagte Jochen Großmann, geschäftsführender Gesellschafter der Gicon GmbH, bei der Eröffnung der Mikroalgenanlage der MZ.

Doch wozu brauchen die Forscher in Köthen die Mikroalgen? Drei Themenbereiche werden in Griehls Arbeitsgruppe bearbeitet: Pharmazeutische Wirkstoffe, Nahrungsergänzungsmittel und Biodiesel aus Mikroalgen.

Eines der größten Projekte ist die Suche nach einem Wirkstoff gegen Alzheimer. Gemeinsam mit der halleschen Firma Probiodrug arbeitet Griehls Arbeitsgruppe an einem Wirkstoff, der Proteinablagerungen im Hirn von Alzheimerpatienten hemmen soll. Derzeit werde ein Strukturpatent angemeldet, so Griehl. Der Weg zu einem möglichen Medikament für Alzheimerpatienten sei dann aber immer noch weit.

Ein weiteres spannendes Thema ist die Herstellung von Biodiesel aus besonders ölhaltigen Algensorten. Indes, so Griehl, gebe es in Deutschland dafür zu wenig Geld. In anderen Ländern, zum Beispiel den USA, werde das Forschungsgebiet viel stärker gefördert. An der Hochschule Anhalt sei die Expertise vorhanden, werde allerdings derzeit nur in kleineren Untersuchungen zum Thema Algenbiodiesel angewendet, bedauert Griehl.