Bespitzelungen Bespitzelungen: ADAC soll Mitarbeiter ausgespäht haben

Hannover/Halle/MZ - Die Post war ungewöhnlich, ihr Inhalt brisant: Aus einem anonymen Brief erfuhr ein ehemaliger Vorstand des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt vor kurzem, dass in seiner Amtszeit vor wenigen Jahren auch sein Mail-Postfach ausgespäht worden ist. „Das empört mich“, sagt der Mann, der sich die Gründe dafür nicht erklären kann. Er will sich vorbehalten, Anzeige zu erstatten.
Die Schnüffelei in seinem Postfach ist offenbar kein Einzelfall: Beim ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt sollen E-Mails von Mitarbeitern und dem Betriebsrat ausgespäht worden sein. Die Staatsanwaltschaft Hannover hält die Vorwürfe für so gravierend, dass sie einen Anfangsverdacht sieht: Sie hat Ermittlungen gegen Geschäftsführer Hans-Henry Wieczorek und zwei weitere Verantwortliche eingeleitet. Im Kern gehe es um die Behinderung der Betriebsratsarbeit und damit einen möglichen Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz, sagte ein Sprecher. Das Verfahren stehe allerdings noch ganz am Anfang.
Die Ermittlungen gehen auf eine Anzeige des Betriebsrates zurück. Dieser war von der früheren IT-Chefin des ADAC-Regionalverbandes informiert worden, die das Ausspähen organisiert haben will. Ihr Anwalt Stephan Korb sagte, nach einem kritischen Zeitungsartikel habe der Geschäftsführer von seiner Mandantin verlangt, den E-Mail-Verkehr namentlich bekannter Mitarbeiter nach Schlüsselwörtern zu durchforsten. Mit dieser Aktion habe das Management die interne Quelle für die Berichterstattung identifizieren wollen. Später habe die IT-Chefin den E-Mail-Verkehr mehrerer Betriebsräte an die ADAC-Führung weiterleiten müssen.
Der ehemalige Vorstand, der nach eigenen Angaben ebenfalls ausgespäht worden ist, sagte, er sei überzeugt davon, dass an diesen Vorwürfen etwas Wahres dran sei. Das Betriebsklima beim ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt beschrieb der Mann als „verheerend“. Andere Stimmen sprechen von einem „Klima des Misstrauens“. Mitarbeiter seien mit Arbeitsgerichtsverfahren „überschüttet“ worden, sagte der frühere Vorstand. Die Süddeutsche Zeitung berichtete von 92 entsprechenden Auseinandersetzungen in fünf Jahren. Insgesamt hat der Regionalverband nur rund 140 Beschäftigte. Der Ex-Vorstand sagte, das schlechte Klima habe auch junge Leute zum Kündigen bewogen, „in dem Bewusstsein, dass sie dann erstmal arbeitslos sind“.
Der ADAC ließ die Vorwürfe zurückweisen. „Es hat in keiner Weise oder Form jemals eine Anweisung der Geschäftsführung gegeben, den Betriebsrat auszuspionieren“, sagte ein Kommunikationsberater der Nachrichtenagentur dpa. Eine direkte MZ-Anfrage ließ der Automobilclub unbeantwortet. n