Beschäftigung Beschäftigung: Bürgerarbeit wird zur Leiharbeit
Halle (Saale)/MZ. - "Vom Wunder von Bad Schmiedeberg" ist die Rede gewesen. Die Bürgerarbeit ist in Sachsen-Anhalt ein Erfolg - bundesweit droht die staatlich geförderte Arbeit für Langzeitarbeitslose allerdings ein Flop zu werden. Von den geplanten 34 000 Bürgerarbeitern waren Anfang April erst knapp 1 400 im Einsatz, gibt die Bundesagentur für Arbeit bekannt.
In dem Modellprojekt werden Langzeitarbeitslose von der Arbeitsagentur intensiv betreut. Wenn es nach sechs Monaten nicht gelingt, eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu finden, wird dem Hartz-IV-Empfänger eine gemeinnützige Stelle etwa bei der Feuerwehr oder im Altersheim angeboten. Viele Erwerbslose erhalten so erstmals seit Jahren wieder eine reguläre Beschäftigung. In Bad Schmiedeberg bei Wittenberg führte dies dazu, dass die Arbeitslosigkeit merklich sank.
An dem Modellprojekt fand Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gefallen. Im vergangenen Jahr wurde es auf alle Länder ausgeweitet. Insgesamt haben die Kommunen zwar bereits rund 7 000 Stellen beantragt, zögern aber mit der Einstellung. Der Grund: Die Gewerkschaften fordern eine Bezahlung nach öffentlichem Tarif. Geplant ist, dass Bürgerarbeiter für eine 30 Stundenwoche 900 Euro brutto erhalten.
Die Kosten trägt der Bund, der insgesamt 1,3 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln und EU-Fonds zur Verfügung stellt. Die von der Gewerkschaft Verdi geforderte tarifliche Bezahlung würde die Kommunen jedoch 200 bis 300 Euro extra kosten. Dies ist vielen zu teuer, so der Deutsche Landkreistag. Sie greifen weiter auf die staatlich geförderten Ein-Euro-Jobber zurück. "Ohne ordentliche Bezahlung verdrängt Bürgerarbeit reguläre Beschäftigung", sagt Verdi-Sprecher Bernhard Jirku. "Dann werden an Schulen Assistenten des Hausmeisters eingestellt, wo es gar keinen Hausmeister mehr gibt."
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) mahnt dagegen: "Die Gewerkschaften dürfen keine Politik auf dem Rücken von Arbeitslosen machen." Sachsen-Anhalt habe gezeigt, dass Arbeitslose eine Chance bekommen, ohne dass Stellen am ersten Arbeitsmarkt wegfallen. Gut die Hälfte aller Bürgerarbeiter sind derzeit in Sachsen-Anhalt tätig.
Um das Projekt zu retten, hat der Bund nun einen Ausweg geschaffen. "Zukünftig ist für Bürgerarbeitsplätze auch eine Arbeitnehmerüberlassung zugelassen", so das Bundesarbeitsministerium. Das heißt: Langzeitarbeitslose werden von öffentlichen Beschäftigungsgesellschaften oder Zeitarbeitsfirmen zunächst angestellt und dann an die Kommunen verliehen. So wird das öffentliche Tarifsystem umgangen. Das Ministerium erklärt: "Es ist eine Hilfskrücke." Verdi sagt: "Die Praktik ist ein Skandal."