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Bergbau Bergbau: Tödliches Salz in sicherer Grube

Von Hendrik Kranert-Rydzy 26.11.2012, 20:05

Magdeburg/MZ. - Der Tod kam plötzlich und ohne Vorwarnung: Aus fünf Meter Höhe stürzte am Samstagabend eine gut 140 Kilogramm schwere Salzplatte im Kalibergwerk Zielitz (Börde) auf einen Bergmann. Der 48-jährige Familienvater aus Wolmirstedt war sofort tot. Besonders tragisch: Der Unfall ereignete sich in einem Bereich, der eigentlich gegen herabstürzendes Gestein gesichert war. Es ist dieses Jahr bereits der zweite tödliche Unfall in der Grube - dabei gilt das Bergwerk als ausgesprochen sicher.

Unglück an gesicherter Stelle

Der Mann hatte zuvor mit einer sogenannten Beraubemaschine in 1 000 Meter Tiefe die Decken einer Abbaukammer abgehobelt. Mit dieser Technologie sollen lose Platten im Deckgebirge beseitigt werden, anschließend werden meterlange Stangen - sogenannte Anker - ins Gestein getrieben, um dieses zu stabilisieren. Das Unglück ereignete sich, als der Mann die Gefahrenstelle bereits verlassen hatte. "Er hatte die Tafel für die Freigabe des Streckenabschnittes schon ausgefüllt", sagte der Sprecher des Landesbergamtes, Bodo-Carlo Ehling. Ob sich die tödliche Salzplatte dann aufgrund geologischer Anomalien löste oder der Bergmann noch einmal loses Gestein entfernt hat, werde noch untersucht. Fest steht aber offensichtlich, dass es sich um einen Unfall handelt: "Es gibt jedenfalls keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden", sagte die Magdeburger Staatsanwältin Sylvia Niemann der MZ. Laut Ehling hat das Opfer "sehr wahrscheinlich die lose Platte nicht sehe können".

Große Teile der Belegschaft der Grube, die zum Kali + Salz-Konzern gehört und in der 1 800 Menschen arbeiten, hätten am Montag noch unter Schock gestanden, sagte der K + S-Sprecher Ulrich Göbel. "Die Stimmung ist sehr gedrückt." Das Unternehmen habe unmittelbar nach dem Unfall die Mitarbeiter persönlich oder über Aushänge informiert. Bergwerke gelten als Betriebe, "die bei allen Vorsichtsmaßnahmen immer mit gewissen Risiken verbunden sind", sagte Bergamtssprecher Ehling. Im Schnitt ereignen sich dort laut K + S 15 bis 20 Unfälle je einer Million Arbeitsstunden. Eine Zahl die, die Gewerkschaft IGBCE bestätigt. Zum Vergleich: Im Gesundheitswesen sind es etwa zwölf, im Baugewerbe mehr als 20 Unfälle je einer Million Arbeitsstunden. Zu diesen Arbeitsunfällen werden alle Ereignisse gezählt, nach denen der Betroffenen länger als drei Tage krankgeschrieben ist. Eine gesonderte Statistik für Sachsen-Anhalt führt das zuständige Statistische Landesamt nicht.

Bei K + S selber liegt die Unfallquote indes nur bei fünf bis sechs Unfällen je einer Million Arbeitsstunden. "Wir haben eine erfreulich niedrige Unfallstatistik", sagte Sprecher Göbel. Der Grund: Das Unternehmen stellt das Thema Arbeitssicherheit an vorderster Stelle. "Sowohl Unternehmensleitung als auch Betriebsrat behandelt das Thema an erster Stelle", bestätigte auch Gewerkschaftssprecherin Petra Reinbold-Knape. Umso tragischer sei es, dass Zielitz nun bereits von zwei Unfällen innerhalb eines Jahres betroffen sei.

Hilfszahlungen angekündigt

Reinbold-Knape kündigte für die Frau und die Kinder des getöteten Bergmannes Hilfszahlungen aus der August-Schmidt-Stiftung an. Diese war 1962 nach einem der schwersten Grubenunglücke der deutschen Nachkriegsgeschichte für die Angehörigen von verunglückten Bergleuten gegründet worden. Bei einer Schlagwetterexplosion in der Völklinger Steinkohle-Grube Luisenthal waren 299 Kumpel ums Leben gekommen; sie hinterließen 365 Halbwaisen.

In Sachsen-Anhalt arbeiten derzeit 6 000 Menschen im Bergbau, 1 400 davon Untertage. Neben den Kali- und Steinsalzgruben in Zielitz und Bernburg sind es vor allem Braunkohle-Tagebaue sowie Kiesgruben und Steinbrüchen. Das letzte schwere Bergwerksunglück ereignete sich 1987 auf dem Bernhard-Koenen-Schacht Niederröblingen bei Sangerhausen. In dem Kupferschiefer-Bergwerk starben drei Bergleute bei einem Grubenbrand.