Keine Ahnung und viel Wut Berateraffäre in Sachsen-Anhalt: Keine Ahnung und viel Wut - Ministerium ahnungslos bei Beratervertrag

Magdeburg - Die Abgeordneten wollen gar nicht glauben, was sie hören: Vor ihnen sitzt ein wichtiger Beamter aus dem Justizministerium - und er weiß rein gar nichts. Der Mann ist für die Vergabe von Aufträgen zuständig, 2016 sollte er einen ungewöhnlich teuren Vertrag bewerten.
Alles in Ordnung, befand er - obwohl der Auftrag regelwidrig am Landtag vorbei vergeben wurde und obwohl er den Vertrag gar nicht gelesen hatte. Entgeistert fragt der Linken-Abgeordnete Wulf Gallert im Untersuchungsausschuss nach, der Beamte schweigt lange. Dann sagt er nur einen Satz: „Es tut mir leid, ich kann mir nicht erklären, wie ich damals zu der Einschätzung gekommen bin.“
Zog die Politik Strippen?
War es ausschließlich Inkompetenz, die 2015 zum regelwidrigen Abschluss eines 1,9 Millionen Euro teuren Vertrages führte? Oder hat die damalige Spitze des Justizministeriums Strippen gezogen, um den Auftrag gezielt der Firma Wanzek Consult zuzuschieben?
Unter anderem das soll der Untersuchungsausschuss des Landtages aufklären. Der Auftrag umfasste die Schulung der gesamten Landesverwaltung mit dem Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Einige Merkwürdigkeiten haben den Landtag schon früh stutzig gemacht. So gab es für den äußerst lukrativen Auftrag lediglich eine einzige Bewerbung.
Weitere Verdächtigungen kommen am Freitag hinzu. Der Zeuge Thomas Claus spricht von „politischem Druck“ der damaligen Hausleitung - ein schwerwiegender Vorwurf. Claus hatte das Justizministerium über viele Jahre zum Thema Gleichstellung beraten, seine damalige Geschäftspartnerin war Ute Wanzek.
2014 jedoch kündigte sie die Partnerschaft auf, um sich allein für den Folgeauftrag zu bewerben. Justizstaatssekretär Thomas Wünsch (SPD) habe Wanzek dazu aufgefordert; er selbst habe daher für eine eigene Bewerbung keine Chance gesehen.
Ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem Ministerium und dessen langjährigem Berater Claus
Gab es das politische Ziel, künftig mit Wanzek allein Geschäfte zu machen? Die Abgeordneten fragen nach, finden jedoch nichts: keine persönliche Freundschaft zu Wünsch oder der damaligen Ministerin Angela Kolb-Janssen (SPD), keine Parteispenden oder Gefälligkeiten.
Was sie aufdecken, ist ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem Ministerium und dessen langjährigem Berater Claus. Es gab Streit um schlechte Leistungen, einen Prozess um die Bezahlung, gegenseitige Vorwürfe. Claus sei fachlich ausgezeichnet, aber als Geschäftspartner eine Katastrophe, berichtet Ute Wanzek, die dritte und letzte Zeugin des Tages. „Wir haben Aufträge verloren, weil er unzuverlässig ist und Verträge so hinbiegt, wie es ihm passt“, sagt sie über die Zeit mit ihm als Geschäftspartner. Im Kern bestätigt sie Claus’ Aussage: Das Ministerium wollte so nicht länger arbeiten machen. Daraufhin machte sie sich selbstständig.
So, wie die einstigen Geschäftspartner ihre Aussage präsentieren, könnten sie unterschiedlicher kaum sein: Claus, raspelkurze graue Haare und schwarze Lederjacke, lehnt sich schon nach kurzer Zeit auf dem Zeugenstuhl lässig zurück und bringt seine Spitzen im Plauderton vor. Ob Wanzek einen so gewaltigen Auftrag mit nur einer einzigen angestellten Mitarbeiterin überhaupt seriös abwickeln könne?, will der AfD-Abgeordnete Matthias Büttner wissen. „Da kann man geteilter Meinung sein“, sagt Claus genüsslich.
Wanzek hingegen, in Begleitung ihres Anwalts, zittert vor Empörung. In einem langen Vortrag schildert sie ihre Arbeit - und sich selbst als Opfer falscher Anschuldigungen. Nach der Diskussion um den Auftrag habe das Justizministerium kaum noch Leistungen abgerufen und den Vertrag gekündigt. Sie sei dadurch in einer Existenzkrise.
Beraterin zeigt sich emotional
Vor allem empört sie, dass ein Vertragsdetail bekannt wurde: der für Konferenzen vereinbarte Stundensatz von 480 Euro. Durch eine vom Ministerium vorgegebene Preistabelle habe sie sämtliche Kosten einer Tagung, etwa Vortragshonorare, Verpflegung, Reisekosten, Vor- und Nachbereitung, in einen einzigen Stundensatz einkalkulieren müssen, klagt Wanzek. „Das war ein Fehler des Ministeriums. Der ist aber nie öffentlich eingeräumt worden.“
Auf eine erneute Befragung muss sich wohl Ex-Justizstaatssekretär Wünsch einstellen, jetzt als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium tätig. Er hatte im August ausgesagt, er sei an dem Vertrag kaum beteiligt gewesen und habe die Details auch gar nicht gekannt. Das erscheint unter anderem der Linken unwahrscheinlich. (mz)