Baustelle Baustelle: Betonkrebs setzt Ost-Autobahnen zu

Gera/Chemnitz/dpa. - Mancher Autofahrer reibt sich verwundert dieAugen: Mit Milliarden Euro wurden die Autobahnen im Osten seit 1990auf Vordermann gebracht, und nun blinken vielerorts schon wieder dieBaustellenleuchten. Autokolonnen schieben sich mit Tempo 60 oder 80über die Piste, während nebenan der Belag abgefräst wird. Grund sindRisse im Asphalt oder Fugen-Reparaturen an der Betondecke.
Ganz normaler Verschleiß, versichern die zuständigen Behörden.Doch bei Beton-Abschnitten, die 30 Jahre halten sollten, sind aufetlichen Strecken schon nach weniger als zehn Jahren enorme Problemeaufgetreten: Schuld ist der Betonkrebs. Dabei zersetzen Kieselsäurenin einem chemischen Prozess die Stoffe im Zement. Es entstehen Risse,die durch Frost weiter aufgesprengt werden.
Die Betonkrankheit hat sich nach Expertenschätzung in Deutschlandauf rund 350 Autobahnkilometern ausgebreitet, vor allem im Osten.Probleme gibt es besonders auf der A9 und A14. «Wir denken schon,dass das hätte vermieden werden können», sagt ADAC-Fachfrau WiebkeDammann. Experten hätten schon vor 20 Jahren davor gewarnt, und dieBaustoffe hätten besser untersucht werden müssen.
Doch nun frisst sich der Betonkrebs unaufhaltsam durch den Belag.Der Schaden geht in die Millionen. Das Problem tritt oft erst nachsieben bis zehn Jahren zutage - dann ist die Gewährleistung derBaufirmen vorbei und der Schaden muss auf Kosten des Steuerzahlersbeseitigt werden.
In Sachsen ist das Problem bislang nur auf zehn Kilometern der A14zwischen Mutzschen und Leisnig in Richtung Dresden aufgetreten. Fürden Rest der A14 schließt das Autobahnamt den Betonkrebs aus - weilderen Erneuerung schon Ende 1994 fertig war und keine neuen Schädenauftauchten. Als glücklicher Umstand gilt, dass die A14abschnittsweise saniert wurde. «Dadurch kamen immer wieder andereBaufirmen mit jeweils anderen Betonmischungen zum Zuge», sagtBehördensprecher Burkhard Zscheischler.
In Sachsen-Anhalt sieht es etwas anders aus. Während die Sachsenauf ihren zehn Problem-Kilometern die Deckschicht komplett wiederauswechseln und für die veranschlagten 13 Millionen Euro gleich nochdrei 40 Jahre alte Autobahnbrücken erneuern, versucht der Nachbar,den Zerfall hinauszuzögern. Das sei auch eine Kostenfrage, betontStraßenbautechnik-Experte Dittmar Marquordt vom Landesbetrieb Bau.Seine Kollegin Petra Witte erklärt: «Bei uns sind etwa 100 KilometerRichtungsfahrbahn betroffen.»
In einem Pilotprojekt auf der A14 zwischen Bernburg und Könnernwurde eine Strecke mit verschiedenen Beschichtungen gegen Wasser undTausalz versehen, um herauszufinden, welches Mittel im Kampf gegenden Betonkrebs hilft. Ergebnisse sind erst in einigen Jahren zuerwarten. In einem ist sich Marquordt aber schon heute sicher: «Wirwerden die betroffenen Strecken nicht ewig halten können.» Aufanderen Abschnitten etwa auf der A9 wurde eine Asphaltdeckeaufgebracht, um den Beton zu schützen.
In Thüringen ist etwa die Hälfte des rund 500 Kilometer langenAutobahnnetzes in Asphaltbauweise gebaut. Hier macht sich inzwischender Verschleiß bemerkbar, erläutert der Leiter des Landesamtes fürBau und Verkehr, Markus Brämer. In der Regel müsse die Asphaltdeckenach zehn bis zwölf Jahren erneuert werden. Das geschehe gerade aufder A4, die Stück für Stück bis Ende 2012 abgearbeitet werde.Jährlich stecke das Landesamt rund 12 Millionen Euro in die Sanierungder Autobahnen. Starke Risse gebe es auch auf der A71 bei Ilmenau,allerdings falle dies noch unter die Gewährleistung der Baufirma.
Um die ursprünglich als anfälliger geltenden Asphaltautobahnenhaltbarer zu machen, läuft in Thüringen ein Modellprojekt. Dabeiwerden auf einem fünf Kilometer langen Abschnitt auf der A4 beiStadtroda neue Bauverfahren getestet mit einem stärker verdichtetemBelag. Dabei kommen auch elektronische Sensoren zum Einsatz, die dieTemperatur im Asphalt messen. «Wir bauen hier die Autobahn derZukunft», ist sich Brämer sicher. Seiner Ansicht nach solltenBaufirmen zudem länger für Mängel haften müssen. «Da müssteder Bund aktiv werden und die Gewährleistung auf zehn Jahrehochschrauben.» Er verspricht sich davon eine höhere Qualität am Bau.