Bahn-Studie Bahn-Studie: Lob und Tadel
Berlin/mz. - Im Bahntest des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ergibt sich ein gemischtes Bild. Unter dem Strich sei die Bahn aber besser als ihr Ruf, attestiert der Verband. MZ-Redakteure schildern ihre ganz persönlichen Erfahrungen im Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn: Vom Personal über Sauberkeit und Ansagen bis hin zu den ICE-Restaurants.
Irina Steinmann Lokalredakteurin in Wittenberg, pendelt täglich im ICE zwischen Berlin und der Lutherstadt. Nach wie vor ärgert auch mich die Informationspolitik. Zum Beispiel die Salami-Taktik bei der Angabe von Verspätungen, wenn aus fünf, zehn, 15, 20 Minuten irgendwann 55 Minuten werden. Auch die irrwitzig voneinander abweichenden Begründungen für ein und dieselbe Verspätung in Durchsagen, auf Anzeigentafeln und im Internet nerven. Das Fehlen des kleinen Wortes "Entschuldigung", wenn der gerade noch pünktlich angezeigte Zug plötzlich doch trödelt. "Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt" taugt nicht zur Überbrückung der Wartezeit. Ebenfalls nicht zu verstehen ist der Trend, Fahrgäste in weniger starken Zeiten in einen Wagen zu packen. Die Folge: Stehplatz im Gang. Es sind Kleinigkeiten, mit denen die Bahn Kunden das Leben zur Hölle macht.
Die Pünktlichkeit ist im Großen und Ganzen in Ordnung. In diesem Punkt ist die Bahn, jedenfalls auf meiner Linie, deutlich besser als ihr Ruf bei Nichtbahnfahrern. Mit Schrecken erinnere aber auch ich mich an Monate, als der Abendzug immer stark verspätet war. Fünf Minuten mehr leistet sich mein Morgen-ICE allerdings auch zur Zeit fast jeden Tag. Dann muss ich rennen. Das Personal ist in der Regel zuvorkommend und freundlich, oft sogar ausgesprochen gut gelaunt.
Lars Geipel, Leiter der Lokalredaktion Aschersleben / Bernburg, pendelt täglich zwischen beiden Städten. Sowohl in Bernburg als auch in Aschersleben gibt es nur einen einsamen Fahrkartenautomaten - in Stoßzeiten bilden sich so lange Schlangen. Leute, die spät kommen, müssen sich das Ticket im Zug besorgen. Doch die Automaten dort haben in regelmäßigen Abständen Macken. Aber die Zugbegleiter sind verständnisvoll und helfen gern aus. Der Bernburger Bahnhof bekommt eine Verschönerungskur. Bahnsteige und Gebäude werden in Schuss gebracht. Zeit wird es: Bislang galt der Bernburger Bahnhof als einer der heruntergekommensten in Sachsen-Anhalt. Im Gegensatz dazu ist das Ascherslebener Pendent ein echtes Schmuckstück, sauber und gepflegt mit kleinen Läden. Sauber und gepflegt sind auch die Züge - zumindest am Morgen. Wer abends fährt, findet schon mal einen überquellenden Mülleimer. Auch pünktlich ist die Deutsche Bahn am frühen Morgen und am späten Abend meistens.
Jörg Müller, Redakteur in Eisleben, fährt täglich mit Regionalzügen zwischen Halle und Eisleben. Bei Abweichungen vom normalen Fahrplan scheint oft gleich das ganze System zusammen zu brechen. Beispiel: Wenn irgendwo auf der Strecke eine Baustelle eingerichtet wird, kann es mehrere Tage mit vielen Verspätungen dauern, bis der Sonder-Fahrplan halbwegs funktioniert. Ärgerlich ist auch, dass oft auf den Bahnhöfen nicht über Störungen oder Verspätungen informiert wird. Für Radfahrer sind viele Züge zwischen Halle und Eisleben unkomfortabel: Es gibt nur ein einziges Rad-Abteil, und die hohen Türen machen den Ein- und Ausstieg zu einem Kraftakt. Insgesamt eine gute und schnelle Regional-Verbindung; die Züge fahren mindestens jede Stunde, zu den Hauptzeiten auch zwei Mal pro Stunde und sind zum überwiegenden Teil pünktlich. Fast immer sind Zugbegleiter eingesetzt, die sich bei Verspätungen auch mal um den Anschluss kümmern. Meistens ist es in den Zügen sauber.
Andreas Hillger, Kulturredakteur, pendelt täglich zwischen Dessau und Halle. Wenn der direkte Ansprechpartner fehlt, ist man auch bei der simpelsten Information auf die Gnade des Lokführers angewiesen. So gab es unlängst zwischen Halle und Hohenthurm gleich mehrfach hintereinander eine Signalstörung, durch die man fast 20 Minuten zu spät in Bitterfeld eintraf. Die Mitteilung, dass man seinen Zug verpasst hatte, erhielt man erst am Umsteige-Bahnhof. Und dass bei unvorhergesehenen Ereignissen wie dem tödlichen Unfall in Niemberg immense Einschränkungen entstehen, versteht jeder - wenn man es ihm denn richtig erklärt. An Fahrkartenschaltern und Info-Punkten ist immer ehrliches Bemühen um beste Betreuung spürbar, wobei die Aktualität der Aussagen sehr vom Informationsfluss innerhalb des Unternehmens abhängig scheint. Das gilt auch für das Personal in den Zügen: Wenn eine Verspätung auftritt, ist der Zugbegleiter fast immer um Hilfe bei Anschlüssen bemüht. Die Entscheidung über die Umsteige-Möglichkeiten aber wird andernorts gefällt. Wer es auf den letzten Drücker zum Zug schafft und keine Zeit mehr zum Ticketkauf hat, hat das Nachsehen: Im Zug sollen Fahrkarten erst in zwei Jahren wieder regulär erhältlich sein - mit dem Start des neuen S-Bahn-Netzes. Bis dahin sind Fahrgäste ohne Ticket auf die Kulanz der Zugbegleiter angewiesen, die technisch zum Verkauf nach wie vor in der Lage sind. Dennoch: Es gibt kaum bessere Verbindungen als die zwischen Halle und Leipzig: Alle halbe Stunde fährt die S-Bahn, stündlich der Regionalexpress via Flughafen. Und einen IC gibt es auch noch. Je nach Variante ist man in etwas mehr oder etwas weniger als einer halben Stunde von Stadtzentrum zu Stadtzentrum gereist - mit dem Auto kaum zu schaffen.
Christina Schafmeister, Redakteur im Ressort Sachsen-Anhalt / Wirtschaft, ist oft im Fernverkehr unterwegs. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man seinen Anschluss - wie neulich in Hannover - um eine Minute verpasst. Schlimmer ist, dass der verspätete ICE nicht einmal eine Anfrage gestellt hat, ob der Anschluss in Hannover diese eine Minute warten kann. Und völlig unakzeptabel ist die Reaktion auf eine entsprechende Beschwerde: ein Schreiben aus der Schublade, das mit keinem Wort auf den konkreten Fall eingeht.
Natürlich haben Speisen und Getränke im ICE-Restaurant ihren Preis. Die Qualität stimmt, aber Aktionsangebote sind oft lecker. Auch die Atmosphäre ist angenehm. Ärgerlich ist aber, dass die Bistros in den IC-Zügen gelegentlich geschlossen sind.