Bad Schmiedeberg Bad Schmiedeberg: Mit Bürgerarbeit zum Erfolg
Bad Schmiedeberg/MZ. - Der Himmel über dem 4 200-Seelen-Städthen Bad Schmiedeberg (Landkreis Wittenberg) ist grau, Wind treibt Regenfäden durch die Straßen. Anett Raupach lacht. "Kein Grund niedergeschlagen zu sein. Für mich scheint die Sonne." Die 26-jährige alleinerziehende Mutter hat nach sieben Jahren ohne Job wieder Hoffnung. Seit kurzem geht sie wieder arbeiten, hilft beim Betreuen von Patienten der Kur-Klinik.
Ihren Job verdankt Anett Raupach einer ambitionierten Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Mit der Bürgerarbeit genannten Tätigkeit soll unter wissenschaftlicher Begleitung in Bad Schmiedeberg und ab 2007 in Barleben herausgefunden werden, ob sich Langzeitarbeitslose schrittweise in echte sozialversicherungspflichtige Arbeit bringen lassen. Mit dem Modell Bürgerarbeit könnte annähernde Vollbeschäftigung möglich sein, hofft Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff.
Die Bürgerarbeit steht am Ende eines Vierstufenmodells. In der ersten Stufe wurden alle 331 Schmiedeberger Arbeitslose nach Fähigkeiten eingeteilt, in der zweiten jene 108 in Arbeit vermittelt, für die ein Job auf dem ersten Arbeitsmarkt verfügbar war. Im dritten Schritt wurde neu gesiebt, durch Weiterbildung hinderliche Defizite abgebaut. Dabei fanden 36 einen neuen Job, 34 kamen in Trainingsmaßnahmen. Die Arbeitslosenquote sank von September zu Oktober von 15,6 Prozent auf 9,1 Prozent. Wer immer noch nicht vermittelt werden konnte, bekommt nun einen Job in der Bürgerarbeit. Seit 15. September sind 30 Schmiedeberger so zu Arbeit gekommen. Nochmal 100 sollen in Kürze folgen. Das Ziel bis Jahresende lautet: drei Prozent Arbeitslosenquote - quasi Vollbeschäftigung.
Anett Raupach arbeitet bis Ende 2007 im Moorbad der Kur-Klinik, hilft orthopädischen Rehabilitanten und gynäkologischen Patienten beim Umkleiden, übernimmt kleine Handreichungen, begleitet Spaziergänge oder liest auch schon mal aus der Zeitung vor. "Bürgerarbeit ist alles das, was als Dienstleistung auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht bestehen kann. Also Non-Profit-Jobs", erklärt dazu Rainer Bomba, Arbeitsagentur-Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen. Vielmehr sei die Idee, nichtvermittelbare Tätigkeiten im sozialen Bereich wie Kirchen, Krankenhäuser oder Vereinen auszuführen, die keinen sozialversicherungspflichtigen Job verdrängen aber doch gebraucht würden. Viele Langzeitarbeitslose würden dadurch wieder Mut fassen weil sie spüren, dass sie gebraucht werden oder wieder lernen, konzentriert geregelter Arbeit nachzugehen. Und am Ende könnte dann der Übergang zum ersten Arbeitsmarkt stehen.
Anett Raupach findet das Pilotprojekt nicht schlecht. "Man ist kein Almosenempfänger mehr. Ich verdiene mein eigenes Geld." Und obendrein macht ihr die Bürgerarbeit Spass, der Entschluss, nach einem Jahr eine weiterführende Qualifikation zu absolvieren, steht fest. "Vielleicht klappt es dann ja auch mit einem Job auf dem ersten Arbeitsmarkt", so die ungelernte junge Frau.
Aus Sicht des Wirtschaftsministers bietet Bürgerarbeit für alle Vorteile. Langzeitarbeitslose haben wieder einen Job. Kommunen oder Firmen können Tätigkeiten ausführen lassen, für die es keinen Markt gibt, und das Arbeitsamt würde erfolgreich die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Jetzt träumt man schon davon, das Projekt als Modell für ganz Deutschland zu sehen. Allerdings müssten die bis dato getrennten Finanztöpfe von Arbeitsagenturen und Kommunen zusammengelegt werden. Eine entsprechende Bundesratsinitiative bereitet Sachsen-Anhalt schon vor.