Aufarbeitung der DDR-Geschichte Aufarbeitung der DDR-Geschichte: Linke debattiert über Unrechtsstaat

Quedlinburg - 25 Jahre nach der friedlichen Revolution versucht sich Sachsen-Anhalts Linke an der Aufarbeitung der eigenen und der DDR-Geschichte. Auf einem Parteitag in Quedlinburg wurde mit großer Mehrheit ein Dringlichkeitsantrag mit dem Titel „Wer Zukunft will, muss sich der Vergangenheit stellen“ verabschiedet. Widerspruch gab es nur verhalten.
Mit dem Papier und einem einstimmig beschlossenen Leitantrag „Ein Land zum Leben. Ein Land zum Bleiben“ will die Linke in Sachsen-Anhalt Kurs auf einen Regierungswechsel zur Landtagswahl 2016 nehmen. Wie derzeit in Thüringen setzt man dabei auf eine Koalition mit SPD und Grünen. In Thüringen hatten die beiden Parteien explizit darauf bestanden, dass die Linke die DDR als „Unrechtsstaat“ klassifiziert. Im Papier der sachsen-anhaltischen Genossen taucht der Begriff zwar auch auf - und zwar genau einmal - doch ein klares Bekenntnis, ob die DDR nun ein solcher war, sucht man im Dringlichkeitsantrag vergebens. Zwar wird den Menschen, die sich dem Unrecht in der DDR entgegenstellten, ausdrücklich gedankt und deren Rolle bei der Demokratiebewegung 1989 und davor gewürdigt.
Begriff wird in der Linken kontrovers diskutiert
Doch es wird auch darauf verwiesen, dass der Begriff „in unserer Partei kontrovers diskutiert wird“. Er stehe auch dafür, dass DDR-Geschichte nicht auf politische Abrechnung reduziert werden dürfe, heißt es im Antrag. Eine Reduzierung auf Opfer und Täter werde „zu Recht abgelehnt“.
„Es beißt die Maus keinen Faden ab: Das Sozialismuskonzept der DDR war gründlich gescheitert“, sagte Linken-Landeschefin Birke Bull. Und man müsse sich darüber im Klaren sein, dass es in der DDR keine demokratische Grundausstattung geben habe, dass die demokratiepolitischen und rechtsstaatliche Defizite ein Unrecht hervorbrachten, dass der DDR letztlich die Legitimation entzog. Bull erklärte gleichzeitig, dass sie „sehr viel menschliches Verständnis“ dafür habe, dass das Scheitern der DDR für viele in ihrer Partei eine „tiefe Enttäuschung“ und „bedrückend und prägend“ sei. „Ich weiß, dass damit auch eigenen Biografien beschädigt worden sind“, so Bull. Die Landesvorsitzende der Grünen, Cornelia Lüddemann, kommentierte auf Twitter, Bulls Rede sei erwartbar gewesen und bleibe hinter dem Dringlichkeitsantrag zurück.
„Unrechtsstaat“ als Kampfinstrument
Der Fraktionsvize im Bundestag, Dietmar Bartsch, erklärte, der Begriff „Unrechtsstaat“ werde vom politischen Gegner als „Kampfinstrument für heutige Auseinandersetzungen benutzt“. Bartsch warb aber gleichzeitig dafür, sich weiterhin kritisch „um unserer Selbst willen“ mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, „und nicht, weil andere das wollen“.
Der Fraktionschef der Linken im Landtag, Wulf Gallert, verwies darauf, warum der Dringlichkeitsantrag gerade jetzt nötig sei. Es gebe nach wie vor „nicht wenige Menschen“, die nicht nur Vorbehalte, sondern Angst vor den Linken hätten. „Angst sollte und darf in diesem Land aber niemand vor uns haben“, so Gallert. Auch wenn die Debatte um den Unrechtsstaat instrumentalisiert werde, „darf das nicht dazu führen, dass wird diese Debatte nicht führen.“ (mz)