Asylbewerber in Sachsen-Anhalt Asylbewerber in Sachsen-Anhalt: Von Behörde zu Behörde

Halle (Saale) - Weltweite Krisenherde haben dazu geführt, dass im vergangenen Jahr wieder mehr Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Mehr als 6600 Asylbewerber kamen nach Sachsen-Anhalt. Doch was erwartet sie nach der Flucht, welche Pflichten, welche Rechte haben sie tatsächlich? MZ-Reporterin Katrin Löwe hat die Stationen eines Asylbewerbers nachvollzogen. Im ersten Teil stand die Erstaufnahmeeinrichtung in Halberstadt im Mittelpunkt. Heute: der Wechsel nach Halle und das weitere Asylverfahren.
Die Wände sind in angenehmem Grün gestrichen, neben dem Tisch im hell beleuchteten Empfangsraum steht eine kleine Hantelbank. Der erste Eindruck in der zentrumsnahen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Halle lässt aufatmen. Hier, erklärt mir Vize-Chefin Snjezana Rosemann, heißen die Zimmer auch nicht Zimmer, sondern Appartement. In das geht es nach dem Bus-Transfer aus der zentralen Anlaufstelle in Halberstadt zuerst.
Eigene Küche und Bad
Im Vergleich zu den ernüchternd kargen Plattenbauzimmern im Harz ist die Unterbringung eine deutliche Verbesserung: Statt zweier Herde für einen ganzen Flur hat jedes der Vier-Bett-Zimmer eine kleine Küchenzeile mit Spüle, Herd, Kühlschrank. Auch zur Toilette geht es nicht mehr über den Gang, ein Duschbad gehört dazu. Sogar ein kleiner Fernseher hängt im Zimmer. „Im Prinzip“, sagt Rosemann, „lebt man hier wie in einer WG“. In der es sich - anders als bei rund drei Wochen Aufenthalt in Halberstadt - lohnt, selbst zu investieren. Bewohner David, dem ich eine Stippvisite abstatte, hat Grünpflanzen im Fenster, kleine bunte Läufer auf dem Boden. Auch das „Starterpaket“ des Heims unterscheidet sich vom Halberstädter: Neben Bettwäsche und Handtüchern gibt es diesmal echtes statt Plast-Besteck, dazu Porzellangeschirr, Topf und Pfanne, jede Menge Reinigungsmittel.
Für 90 Personen ist die zwei Jahre alte Unterkunft ausgelegt, derzeit leben hier 85. Es gibt, weiß ich, weit schlechtere Asylbewerberheime im Land, in denen die Lebensbedingungen eher am Rande des Erträglichen sind.
Ohne Papier aber geht auch hier nichts. Zwei Hefter voll erwarten mich. Einer enthält Ansprechpartner und Einrichtungen, die für Asylbewerber relavant sein könnten - von Beratungsstellen bis zu Treffpunkten und kulturellen Veranstaltungen. Viel Stoff für jemanden, der völlig fremd ist. Der zweite ist Bürokratie: die Anmeldung im Heim, ein erneuter Antrag für das Sozialamt, der Bogen für das Einwohnermeldeamt, die Hausordnung in sieben Sprachen... Auch da muss man erstmal durch - wenigstens mit Hilfe des Heims.
Dennoch bleibt an meinem Ankunftstag noch Zeit. Für einen Besuch im nächsten Supermarkt zum Beispiel. „Beim ersten Mal geht jemand von uns oder ein Bewohner mit“, sagt Sozialarbeiter Dennis Hönig. Zudem ist Gelegenheit für die Anmeldung bei einem Deutschkurs. An offiziellen Integrationskursen darf erst teilnehmen, wessen Asylantrag bestätigt ist. Auch in Halle aber gibt es etwa mit dem Jugendmigrationsdienst der Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis Anlaufstellen, bei denen Ehrenamtliche Unterricht anbieten. Ein Anruf und es steht fest: Schon morgen könnte ich starten.
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An Tag zwei stehen jedoch erst einmal Behördengänge an. Einer führt in die Ausländerbehörde. Hier werden noch einmal Personaldaten abgeglichen, dann gibt es die Aufenthaltsgestattung. Sie ist mein künftiger Ausweis, vorerst ein halbes Jahr gültig. Und ich muss eine Belehrung unterschreiben. Mal eben spontan Landsleute in Berlin besuchen? Nein: In den ersten drei Monaten darf ich Sachsen-Anhalt nur verlassen, wenn die Behörde das zuvor genehmigt. Sonst droht ein Bußgeld, im Wiederholungsfall eine Strafanzeige. Die Sachsen-Anhalt-Karte wird mit der entsprechenden, in zwölf Sprachen vorliegenden Belehrung mitgeliefert.
Der Sachbearbeiter informiert auch darüber, dass ich nach drei (früher neun) Monaten theoretisch arbeiten gehen kann. Theoretisch - die Arbeitsagentur muss den Job genehmigen, für ihn darf sich kein Deutscher oder EU-Bürger finden. „Wir haben recht viele, die in Arbeit sind“, sagt Abteilungsleiter Jan Zwakhoven - bei Amazon oder im Baugewerbe.
Station zwei meines Behördentages ist das Sozialamt am anderen Ende der Stadt. Da ich für meine Verpflegung nun selbst aufkommen muss, bleibt es nicht bei 140 Euro140Euro „Taschengeld“, die es in der Erstaufnahmeeinrichtung Halberstadt gab. Als Single stünden mir nun monatlich 370 Euro zu. Geld, das ich sofort ausgezahlt bekomme und von dem ich neben Essen und Freizeit auch Bekleidung finanzieren muss. Das ist annähernd, aber nicht ganz der Satz eines deutschen Hartz-IV-Empfängers (399Euro), wie Uwe Theiß, Abteilungsleiter Asyl, erklärt. Für Klassenfahrten von Kindern oder die Ersteinrichtung einer Wohnung gibt es ebenfalls Beihilfen. In Halle stehen neben 362 Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften rund 900 in Wohnungen bereit, in die Asylbewerber nach drei bis sechs Monaten ziehen.
Großer Tag: die Anhörung
Für mich sind die Behördengänge erst einmal vorbei. Der große Tag, den viele schon in Halberstadt erleben, kommt erst noch: die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nach der über den Asylantrag entschieden wird. Je nach Herkunftsland kann sie bis zu acht Stunden dauern. Neben einem Fragenkatalog, der von Schulbildung bis zum Namen des Großvaters reicht, geht es vor allem um Fluchtgründe. Im Idealfall sollte die Bedrohung im Heimatland nachgewiesen werden - durch Haftentlassungspapiere, Gerichtsurteile, Atteste, Drohbriefe etwa. Ist das nicht möglich, kommt es nach Angaben der Behörde tatsächlich auf Glaubhaftigkeit an. Das Bundesamt verfüge über Länderinformationen, die unter anderem durch Verbindungsbeamte vor Ort zusammengestellt werden. „Schon hieraus und aus der Schilderung des Antragstellers können sich Widersprüche ergeben.“
Bis entschieden ist, ob ich in Deutschland bleiben darf, werden allerdings noch Monate mit Warten vergehen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer lag laut Behörde im vergangenen Jahr bei 7,1 Monaten. (mz)

