Arche von Aken Arche von Aken: Freiwillige retten Tiere aus Hochwasser

aken/köthen/MZ - Angefangen hat alles mit Schildkröte Amanda, die von ihren Akener Besitzern bei der Flucht aus dem Überschwemmungsgebiet im Kreis Anhalt-Bitterfeld in der Wohnung zurücklassen werden musste. Das Ehepaar, beide über achtzig, wohnt nun in einer Köthener Notunterkunft. Dorthin verschlug es auch fünf junge Leute aus Aken, alle zwischen 21 und 31 Jahre alt.
Information bei Facebook
„Mir haben die alten Leute Leid getan. Die Frau hat ständig geweint und befürchtet, dass Amanda stirbt“, erzählt Susanne Poltera. Da gab es für die fünf jungen Akener, die bis auf einen zur Zeit ihrer Arbeit nicht nachgehen können, kein Halten mehr. Ihnen war klar: „Da müssen wir helfen.“ Die alten Leute vertrauten ihnen den Wohnungsschlüssel an, so dass sie die Schildkröte retten konnten. Und das blieb keine Einzelaktion. „Wir machen weiter“, stand für Susanne Poltera (26), ihren Freund Tom Wilfert (23), Christian Dietrich (31), Stephanie Matthias (21) und David Alt (25) fest. Über Facebook veröffentlichten sie ihr Vorhaben, weiter Tiere aus Aken zu retten. Die Resonanz blieb nicht aus.
„Als es immer schwieriger wurde, nach Aken reinzukommen, sind wir zur Einsatzleitung ins Rathaus gefahren und haben unser Vorhaben dort bekanntgemacht, unsere Adresse und Telefonnummer hinterlassen, damit alles offiziell ist“, erzählt Christian Dietrich. Auch Kontakt zur Tiernotaufnahme von Eva-Maria Munke in Drosa wurde aufgenommen. Die hat inzwischen Notquartiere für 200 Tiere organisiert, darunter einige aus Groß Rosenburg (Salzlandkreis), wo am Sonntag ein Deich gebrochen war.
Im Akener Rathaus wurde den jungen Leuten eine Art Passierschein ausgestellt. Auch mit der Polizei habe man sich arrangiert. „Wir machen das ja alles auf eigene Gefahr“, sagt Susanne Poltera.
Gleich bei der zweiten Aktion, die das Quintett in die Akener Gartenstraße führte, traf es auf Einsatzkräfte der Wasserrettung, die die fünf jungen Leute fragten, was sei im Überschwemmungsgebiet wollten. „Als sie den Passierschein sahen, haben sie uns sofort zu einer Stelle geschickt, wo ungefähr 20 Vögel, vom Wellensittich bis zum Fasan, ohne Futter eingeschlossen waren“, schildert Poltera. „Da sind wir hingewatet.“
Denn bald war mit einem normalen Auto in den zunehmend überfluteten Akener Straßen kein Durchkommen mehr. „Ich habe schon vorher überlegt, wie ich meinen Polo wassertauglich machen kann“, berichtet Tom Wilfert, der gelernter Kfz-Mechatroniker ist. Kurzerhand baute er ein altes Lüftungsrohr für die Heizung zu einer Art Schnorchel um, der Luft ansaugt und so verhindern soll, dass der Motor im Wasser absäuft. „Selbst Soldaten der Bundeswehr haben uns mit großen Augen angesehen. Sie wollten das Fahrzeug unbedingt fotografieren, als wir damit einmal - bis zur Fensterkante im Wasser - durch Aken fuhren“, sagt Wilfert. Und: „Überhören kann uns damit niemand, das Teil klingt wie ein Panzer.“
Beliebtes Foto-Motiv
Inzwischen sei der Polo, der wie eine Arche durchs Wasser flutscht, wohl das meistfotografierte Auto in ganz Sachsen-Anhalt. Wie viele Leute den fünf Akener Tierrettern inzwischen schon ihren Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt haben, damit sie ihre Kaninchen, Katzen, Schildkröten oder jede Menge Vögel retten konnten, haben Susanne, Tom und die anderen nicht mehr gezählt. „Es müssen bisher über 30 Tiere gewesen sein, die wir rausgeholt haben. Und es kamen immer neue Anfragen.“
Manchmal haben sie auch Tiere von einem Grundstück befreit, wenn die Lage für diese zu bedrohlich schien. „Sie haben schreckliche Angst und drehen mitunter völlig durch“, schildert Poltera. „Wir haben aber überall Zettel hinterlassen, damit die Besitzer bei ihrer Rückkehr wissen, wo sich ihre Tiere befinden.“ Leider sind aber einige bereits verendet gewesen, haben die Akener Helfer beobachtet. „Da schwammen nicht nur tote Hühner im Wasser.“
Ihre Aktion haben die jungen Leute, die sonst als Frisörin, Kfz-Mechatroniker, Maurer und Tischlerin tätig sind, so nicht geplant. Sie haben spontan gehandelt. „Weil wir in der Notlage, in der wir selbst stecken, auch helfen wollten.“
Umso empfindlicher treffen sie nun Gerüchte, die sich plötzlich im Internet verbreiten. „Wir würden in Aken plündern“, sagen die fünf Freunde empört. „Dabei haben wir uns doch ordentlich registrieren lassen. Die wissen, wer wir sind, wir haben unseren Ausweis gezeigt.“ Auch über die Zeit nach dem Hochwasser haben sich Poltera und ihre Freunde schon Gedanken gemacht: „Da werden wir dafür sorgen, dass alle Tiere, die im Moment wirklich gut untergebracht sind, wieder zu ihren Besitzern zurückkommen.“ Das versprechen sie.