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Archäologie Archäologie: Steinzeitsiedlung in Goseck wird freigelegt

Von Thomas Schöne 24.07.2005, 13:27
Besucher gehen am Ausgrabungsort des ältesten Sonnenobservatoriums der Welt in Goseck (Landkreis Weißenfels) entlang. (Foto: dpa)
Besucher gehen am Ausgrabungsort des ältesten Sonnenobservatoriums der Welt in Goseck (Landkreis Weißenfels) entlang. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Goseck/dpa. - Das Sonnenobservatorium gilt auch als älteste Kultanlage inMitteleuropa. «Wir wollen wissen, wie die Menschen, die diese Anlagenutzten, lebten», sagte der der Leiter des Institutes fürprähistorische Archäologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Francois Bertemes, mit Blick auf die anstehende Grabung.

Auf Luftbildaufnahmen hatte Archäologen einen etwa 200 Meterlangen Graben entdeckt, der von der Siedlung auf das Nord-Tor desObservatoriums zuläuft. «Möglicherweise war der Graben eineProzessionsstraße zum Observatorium und zugleich Teil der äußerstenBegrenzung der Siedlung.» Bertemes schätzt, dass in der Goseck-Siedlung etwa 120 Menschen lebten.

Bereits seit Juni wird neben der Siedlung das Observatoriumoriginalgetreu rekonstruiert. Die Kreisgrabenanlage misst imDurchmesser 75 Meter. Umgeben von zwei Meter hohen Holz-Palisadenzäunen hatte die Anlage drei Tore. Über spezielle Visierekonnten die Steinzeitmenschen aus dem Inneren der Anlage exakt dieWintersonnenwende am 21. Dezember und die Sommersonnenwende am 21.Juni bestimmen. Die Bestimmung dieses Zeitpunkts war für den Zyklusder bäuerlich geprägten Gesellschaft wichtig.

Bei Untersuchungen vor Beginn der Grabung wurde das Siedlungsarealmit der «geophysikalischen Prospektionsmethode» ermessen. Dabei zogenWissenschaftler eine überdimensionale Sonde über das 60 000Quadratmeter große Gelände. Das Gerät tastete die magnetischeAusrichtung des Bodens ab, anschließend wurden die Ergebnisse amComputer in grafische Bilder umgewandelt. «Dabei wurden diePfostenlöcher von sechs Siedlungshäusern entdeckt», sagtGrabungsleiter Andreas Northe. «Das waren Langhäuser, jedes Haus waretwa 50 Meter lang.»

Das 25-köpfige Grabungsteam erwartet auch Funde, die Aufschlussüber die rätselhaften Opferrituale der Goseck-Menschen geben. Bei denbisherigen Grabungen wurden drei Opfergruben mit menschlichenKnochen, zwei Pfeilspitzen sowie Spuren von starkem Feuer entdeckt.«Das war eine bäuerliche Gesellschaft mit regionalen Herrschern.Die Menschen glaubten an Fruchtbarkeitsgötter verbunden mitSchamanismus und Menschenopferungen», sagt Bertemes.

Eine enge Beziehung zwischen dem Observatorium in Goseck und der«Himmelsscheibe von Nebra», die mit 3600 Jahren deutlich jünger ist,sieht der Astronomieexperte Wolfhard Schlosser von der Ruhr-Universität Bochum. Der Komplex in Goseck liegt nur 25 Kilometer vomFundort der Scheibe entfernt, die als archäologischer Sensationsfundgilt und die älteste konkrete Sternenabbildung der Welt zeigt. Auchdie Himmelsscheibe wurde zur Bestimmung der Winter- undSommersonnenwende benutzt. Schlosser schließt daraus auf eine langeTradition der Himmelsbeobachtungen in Europa.

Während sich die Grabungen in der Steinzeit-Siedlung bis insnächste Jahrzehnt erstrecken werden, soll die Rekonstruktion desSonnenobservatoriums zur Wintersonnenwende am 21. Dezember 2005fertig sein. Dann wird zum ersten Mal seit 7000 Jahren die Sonne überden Visiereinrichtungen der Kreisgrabenanlage in Goseck aufsteigen.