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Archäologie Archäologie: Neandertaler sammelten Haifischzähne

Von Thomas Schöne 06.02.2006, 07:22
Das vom Landesamt für Archäologie Halle/Saale veröffentlichte Foto aus dem Jahr 2006 zeigt zwei fossile Haifischzähne (links und rechts) und ein versteinertes Tintenfischteil (Mitte). (Foto: dpa)
Das vom Landesamt für Archäologie Halle/Saale veröffentlichte Foto aus dem Jahr 2006 zeigt zwei fossile Haifischzähne (links und rechts) und ein versteinertes Tintenfischteil (Mitte). (Foto: dpa) LDA Sachsen-Anhalt

Halle/dpa. - Der Neandertaler liebte das Besondere. Dasbeweisen jetzt einmalige Funde von zwei Spezialisten vom HallenserLandesamt für Archäologie an einem Neandertal-Lagerplatz imehemaligen Braunkohletagebau Neumark-Nord (Landkreis Merseburg-Querfurt) im Geiseltal bei Halle. «Wir haben zwei fossileHaifischzähne ausgegraben, dazu einen Teil eines versteinertenTintenfisches sowie Reste von einer Koralle, die Neandertaler vor90 000 Jahren gesammelt haben», sagte der Archäologe Enrico Brühl.Sein Kollege Thomas Laurat erklärte: «Der Neandertaler hat diese 30bis 60 Millionen Jahre alten Fossilien für sein Leben in keiner Weisebenötigt. Aber er hatte ein Auge für das Besondere und hat dieseStücke gesammelt.»

Brühl geht nicht von einem Zufallsfund aus. «Diese Stücke sindweltweit sehr selten gefunden worden, unter anderem in Südafrika, undjetzt das erste Mal in Sachsen-Anhalt». In der Archäologie werdensolche rätselhaften Stücke, die nicht dem Überleben dienten, als«außergewöhnliche Gegenstände», so genannte «non-utilitarian objects»bezeichnet. Neben Fossilien zählen Kristalle, Mineralien undorganische Substanzen dazu.

«Diese Dinge waren offenbar wegen ihrer natürlichen Gestalt oderihrer Materialeigenschaften für Urmenschen auf irgendeine Weisebesonders wichtig. Wir müssen weiter graben, möglicherweise könnenwir dann erklären, wie menschlich der Neandertaler war, was für eineSprachfähigkeit er hatte und ob er über ein Abstraktionsvermögenverfügte», sagte Laurat.

Die rund 460 Quadratmeter große Fundstelle wird von Brühl undLaurat seit 2003 Schicht für Schicht bis in sieben Meter Tiefeakribisch untersucht. Der Neandertal-Lagerplatz befand sich damals amfeinsandigen Ufer eines See. «Bislang haben wir etwa 6000 Stein-Artefakte sowie rund 6000 Knochen von erlegten Tieren geborgen. DieFunde ermöglichen einen einmaligen Einblick und eine realistischeRekonstruktion des damaligen Lebens», erklärte Laurat. «DieseNeandertalgruppe jagte hier in der Gegend hauptsächlich das Wildrindsowie Wildpferde und Hirsch.»

Mit dem Ende des Braunkohletagebaus wird das Gelände rekultiviertund das Restloch geflutet. Allmählich entsteht wieder der alteGeiseltalsee. Der Eigentümer des Geländes, die Lausitzer undMitteldeutsche Bergbau- Verwaltungsgesellschaft mbH (Berlin),unterstützt die Grabungen. Aber für Brühl und Laurat ist ihre Arbeitjetzt schon ein Wettlauf mit dem Wasser und damit mit der Zeit. Bisspätestens 2011, wenn der See wieder gefüllt ist, müssen sie mitihren Untersuchungen fertig sein.