Arbeitslosengeld II Arbeitslosengeld II: Sorgen nach Brief aus Nürnberg
Adendorf/MZ. - Herbert Ost wirft den Spaten hin. In der Bewegung steckt die selbe Wut wie vorher in den Stichen mit dem Werkzeug ins Erdreich. Seitlich am Haus muss der Boden weg. Doch der 57-Jährige kann sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Ratlosigkeit, Ärger und Ängste beherrschen ihn.
Drinnen im Haus liegt auf dem Wohnzimmertisch der Brief aus Nürnberg, der Bescheid von der Bundesagentur für Arbeit über die Summe, mit der Ost und seine Frau Monika von Amts wegen künftig auskommen sollen: 573,89 Euro, Heizkostenzuschuss schon eingeschlossen. "Wie soll davon eine Familie leben", erregt sich der Mann. Dass zur Familie auch noch Tochter Stefanie gehört, darauf kommt er in seiner Empörung erst später. Die 19-Jährige, die noch zur Schule geht, bekomme Bafög. Rund 300 Euro, sie sei weitgehend abgesichert. Allerdings müssten von diesem Geld auch die täglichen Fahrten zur Schule nach Eisleben bezahlt werden.
Familie Ost aus Adendorf im Mansfelder Land gehört zu den so genannten Bedarfsgemeinschaften, denen die Agentur für Arbeit mittlerweile mitgeteilt hat, welcher Betrag an Arbeitslosengeld II (Alg II) ihnen ab Januar zur Verfügung stehen wird. Mit dem ersten Blick hatte Herbert Ost erkennen müssen, dass der Betrag weit unter dem liegt, was die Familie jeden Monat an Ausgaben hat. Denn die Summe, die seine Frau auf einem Blatt zusammengeschrieben hat, ist ihm gegenwärtig. Die monatliche Belastungen beträgt genau 777,02 Euro. "Meine Frau hat den Brief noch gar nicht gesehen, sie liegt in Eisleben im Krankenhaus", so Ost.
Bislang sind die Osts zurecht gekommen. Der ehemalige Kranfahrer und seine 49-jährige Frau beziehen schon seit mehreren Jahren Arbeitslosenhilfe, die nun ab 2005 komplett gestrichen und durch das Alg II ersetzt wird. Zusammen mit dem Kindergeld hatten sie jeden Monat 1 345,64 Euro zur Verfügung. Frau Ost bekam hin und wieder eine ABM-Stelle. "Sie hat mal für die Gemeinde die Chronik geführt", berichtet der Ehemann. Bei den Monatsausgaben ist auch der Unterhalt für ein Auto dabei. "Und das braucht man auf dem Dorf."
Die Familie lebt im eigenen Haus, das Ost einst von den Eltern geerbt hatte. Die sanitären Anlagen machen einen überholungsbedürftigen Eindruck. "Das will ich neu machen. Wovon?"
Für die Modernisierung der anderen Räume - die notwendig war in dem gut 100 Jahre alten Haus - hatten die Osts einen Kredit aufgenommen. 276,60 Euro zahlen sie dafür nun jeden Monat an die Bank. Das geht also noch ab, wenn die Osts ab Januar die rund 580 Euro als Alg II bekommen. Zwar ist bei Hauseigentümern die Übernahme von Kredit-Zinsen durch die Arbeitsagentur gesetzlich vorgesehen, aber in Osts Bescheid steht nichts davon.
In seiner ersten Not hat Ost den Sozialamtsleiter der Kreisverwaltung, Klaus Thormann, angerufen. "Er hat mir gesagt, wir sollen Widerspruch bei der Arbeitsagentur einlegen." "Ja, das stimmt", bestätigt Thormann. Der Widerspruch habe zwar keine aufschiebende Wirkung. "Aber der Bearbeiter des Bescheides ist gezwungen, sich noch einmal Gedanken über die Berechnung zu machen."
Thormann verweist auch auf die Möglichkeit der Klage. Doch viel besser sei es, zunächst das Gespräch zu suchen. "Dann können die Einzelheiten geklärt werden, die vielleicht nicht verstanden worden sind", meint der Amtsleiter. Den empfohlenen Widerspruch hat Ost inzwischen von seiner Tochter formulieren lassen. Fahrig blättert er in den Papieren des Haushaltes, die einen ganzen Ordner füllen. Dabei fällt ihm das Schreiben des Abwasserzweckverbandes in die Hände. Der AZV fordert 835 Euro Gebühr für den Anschluss des Hauses an die neu errichtete Kanalisation.