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HerzensangelegenheitApp TransplantTiger: Studenten wollen Transplantations-System revolutionieren

Von Julius Lukas 06.02.2018, 11:00
Quiz und Vorurteils-Check: Spielerisch will Diana Hofmann mit ihrem Team über Organspende informieren.
Quiz und Vorurteils-Check: Spielerisch will Diana Hofmann mit ihrem Team über Organspende informieren. A. Stedtler

Leipzig - Der erste Schub kam mit 15 Jahren. Damals wurde Diana Hofmann klar, dass es mit ihrer Lunge nicht mehr ewig weitergehen wird. Das Atmen wurde schwerer, die Luft weniger. Ihr Leiden, die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose, machte sich immer deutlicher bemerkbar.

Mit 19 Jahren hatte ihre Lunge noch 30 Prozent Leistungsfähigkeit. Die Sauerstoffflasche wurde ihr ständiger Begleiter. Das Organ musste transplantiert werden. 2007 kam Hofmann auf die Liste, 2009 heiratete sie erst und wurde wenig später operiert.

Es bleibt nicht bei dieser einen Transplantation. 2015 braucht sei eine weitere Lunge, weil ihr Körper die erste abstößt. Und sie bekommt sie. „Ich hatte zweimal viel Glück“, sagt Hofmann. Und von Glück muss man sprechen. Denn Organe werden immer knapper. In Deutschland ging die Zahl der Spender 2017 gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent zurück. Auf der Warteliste stehen derzeit über 10.000 Patienten.

Leipziger Studenten entwickeln digitalen Organspendeausweis

Diana Hofmann will, dass sich das ändert. Und sie hat auch einen Plan: Die 30-Jährige war Teil eines zwölfköpfigen Studenten-Teams, das im vergangenen Jahr an der Hochschule für Telekommunikation Leipzig (HfTL) einen digitalen Organspendeausweis entwickelte.

Er ist in eine Mobiltelefon-App integriert und könnte das Spenden-System auf ganz neue Füße stellen. Denn mit dem digitalen Ausweis würde eine Datenbank entstehen, die die Suche nach Spendern einfacher, effektiver und womöglich auch erfolgreicher macht. Allerdings: „Wir haben bisher noch keinen Partner gefunden, der das Projekt mit uns umsetzt.“

Hoffmann sitzt, als sie von der App erzählt, in einem Konferenzraum im vierten Stock eines schmucklosen Bürogebäudes in Radebeul (Sachsen). Hier residiert die Ost-Zentrale der Technikabteilung der Deutschen Telekom, für die die 30-Jährige arbeitet. Hofmann hat ihr Studium an der HfTL bereits abgeschlossen. Nun arbeitet sie beim Kommunikationskonzern am Netzausbau mit. Die Aufträge stapeln sich derzeit bei ihr.

App „TransplantTiger“: Wissen über Organspende sollen sich Nutzer spielerisch aneignen

Trotzdem will Hofmann nebenbei das Organspende-Projekt mit ihren ehemaligen Mitstudenten vorantreiben. „Unsere Idee war es, dieses derzeit sehr analoge Thema in die digitale Welt zu holen“, erklärt sie. Es gebe aktuell nur eine andere App auf dem deutschen Markt, die sich mit dem Thema Organspende befasst. „Die ist allerdings so alt, dass man eine Sicherheitswarnung bekommt, wenn man sie starten möchte.“

Die Studenten wollen mit ihrer App moderner sein und folgen dabei dem Gamification-Ansatz (englisch „game“ für „Spiel“): Das Wissen über die Organspende sollen sich die Nutzer spielerisch aneignen. So heißt die App „TransplantTiger“ und Ziel ist es, zur Gemeinschaft dieser „Transplantier-Tiere“ zu gehören. Erreicht werden kann das durch die Beantwortung von Quiz-Fragen oder indem man sich über die häufigsten Vorurteile zum Thema informiert.

Denn darum geht es den Studenten auch: Vorurteile abbauen. „Viele Menschen glauben zum Beispiel, dass man mit einem Spendenausweis in der Tasche in Notfällen zuletzt oder gar nicht behandelt wird“, sagt Hofmann. Das sei natürlich Quatsch und solche Mythen soll die TransplantTiger-App entzaubern.

Organspendeausweis kann man in der App ausfüllen

„Man kann sich erst einmal informieren und dann den Ausweis sofort innerhalb der App ausfüllen“, erklärt Hofmann und wird gleich ernster. Der ausgefüllte Ausweis enthalte natürlich hochsensible Angaben. „Der Umgang damit hat uns am meisten Kopfzerbrechen bereitet.“

Denn die Entscheidung für oder gegen Organspende, die jemand im digitalen Spenderausweis trifft, wird in einer Datenbank abgespeichert - also auf Computerservern hinterlegt. Der Papierausweis, den es bisher gibt, wäre dann überflüssig. Und der Vorteil wäre groß: „Wenn jemand für Hirntod erklärt wurde, dann könnte der Transplantationsbeauftragte eines Krankenhauses schnell und unkompliziert in dieser Datenbank nachschauen, ob er Spender ist“, sagt Hofmann. Das mühselige Suchen nach dem Papierausweis und eventuelle Befragungen von Angehörigen wäre dann nicht mehr notwendig.

Damit man die digitalen Ausweise nicht fälschen kann, haben sich die Studenten ein doppeltes Sicherungsverfahren überlegt. Zuerst füllt man eine Registrierung mit Namen und Passwort aus. Dann entscheidet man sich, ob man Organe spenden will und wenn ja, welche. Schließlich bekommt man eine Zahlenkombination auf das Handy geschickt, die man anschließend auf einen Zettel schreiben muss. Mit diesem Zettel in der Hand muss man sich dann fotografieren. Das Bild, die eigene Erklärung zur Organspende und die zugeschickte Zahlenkombination werden dann in der Datenbank gespeichert.

Studenten suchen Geldgeber für App „TransplantTiger“

Kommt es irgendwann zu einer Spende, dann wird die gespeicherte Zahlenkombination mit dem Foto vergeglichen. „Und zudem kann das Bild mit der hirntoten Person abgeglichen werden“, sagt Hofmann. An diesem Verfahren habe ihr Team lange getüftelt. „Und wir sind überzeugt, dass es viel fälschungssicherer nicht geht.“

Im Juni 2017 ist der digitale Ausweis fertig geworden. Seitdem klopften die Studenten schon an einige Türen: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsche Stiftung Organtransplantation und Gesundheitsministerium. „Überall sind sie von unserer Idee begeistert, aber umsetzen will sie niemand.“

Das größte Problem sei der Computerserver, auf dem die Datenbank gespeichert wird. „Der müsste die höchsten Sicherheitsstandards erfüllen“, sagt Hofmann. Ihn einzurichten und zu betreuen, ist aufwendig. „Und alle aus unserem Projektteam sind mittlerweile voll berufstätig, weswegen auch die Zeit fehlt, rund um die Uhr Überzeugungsarbeit zu leisten.“

Aber auch insgesamt hat Hofmann den Eindruck, dass es beim Thema Organspende nur schleppend voran geht: „Seit Jahren wird etwa überlegt, ob man auf Krankenkassen-Karte die Willenserklärung zur Organspende speichert“, sagt Hofmann. Aber es komme einfach nicht dazu. Dabei wäre es so wichtig, dass es Fortschritte gibt - wer könnte das besser wissen als Diana Hofmann. „Ich hatte zweimal viel Glück“, sagt sie, „und würde mir wünschen, dass es noch viel mehr Menschen so geht wie mir.“

Niere ist Spitzenreiter bei Organspenden

Die Zahl der Organspender ist in Deutschland 2017 erneut gesunken. Gegenüber dem Vorjahr gab es acht Prozent weniger Spender. Das wirkt sich natürlich auch auf die Zahl der gespendeten Organe aus. Am häufigsten transplantiert werden Nieren. 700 Spender gab es für das Organ im vergangenen Jahr. 2012 waren es noch über 200 mehr. Am zweithäufigsten wird die Leber bei Verstorbenen zur Verpflanzung entnommen. Es folgen Lunge, Herz und Bauchspeicheldrüse.

Als ein Hauptgrund für die sinkende Spenderzahl gelten neben Transplantationsskandalen auch fehlende Willensbekundungen - etwa durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung. Nur 37 Prozent der Menschen in Deutschland besitzen ein solches Dokument - das zeigte eine Befragung 2016. Eine Pflicht, sich für oder gegen die Spende zu entscheiden, gibt es in Deutschland allerdings auch nicht. In Spanien und den Benelux-Staaten ist das anders. Dort muss einer Spende nämlich ausdrücklich widersprochen werden. In Spanien werden rechnerisch 43 Organe pro eine Million Einwohner gespendet, in Deutschland sind es nur zehn pro einer Million Einwohner. (mz)