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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Lehrerin unter Aufsicht

Von UTE HARTLING-LIEBLANG 04.02.2011, 21:47

KÖTHEN/MZ. - Wenn in der Klasse 2 a der Köthener Naumann-Schule das Fach Gestalten auf dem Stundenplan steht, betreten stets zwei Lehrerinnen den Raum. Die eine steht vorne und unterrichtet, die andere hört zu und behält die Situation im Auge. Grund für diese ungewöhnliche Doppelbesetzung, angeordnet vom Landesverwaltungsamt als Schulaufsicht, sind massive Vorwürfe gegen eine der beiden Pädagoginnen, die nicht mehr alleine unterrichten darf. Andere Maßnahmen hatten keinen Erfolg gebracht.

Für die Elternvertreter ist diese Reaktion auf ihre Beschwerden beim Landesverwaltungsamt und beim Kultusministerium keine Lösung. Sie fordern, dass die umstrittene Pädagogin gar nicht mehr unterrichten darf. Vorgeworfen wird der Lehrerin nicht nur schlechte Unterrichtsführung, die den Lernerfolg der Kinder gefährde. Sie halten die Erziehungsmethoden der Frau für skandalös. Dabei berufen sich die Elternvertreter auf mehrere Hospitationen im Unterricht seit September - und einen konkreten Vorfall.

Damals hatte eine Zweitklässlerin ihrer Mutter berichtet, dass die Lehrerin einen Mitschüler geohrfeigt haben soll. Wie eine Polizeisprecherin bestätigte, stellte die Mutter des Jungen Strafanzeige. Die Zeugenvernehmungen seien aber noch nicht abgeschlossen. Weil die Lehrerin nun nicht mehr allein unterrichte, sei die Gefahr einer "Wiederholung der mutmaßlichen Gewaltanwendung" nicht gegeben, antwortet das Landesverwaltungsamt am 21. Januar, nachdem es von Eltern bereits Mitte Dezember über den Vorfall informiert wurde. Und die Eltern sind weiter sehr besorgt. "Trotz intensiver Bemühungen wird unseren Kindern kein ausreichender Schutz zuteil", sagen sie. "Ich habe den Eindruck, dass von der Frau eine Aggression ausgeht, die mir Sorgen macht", erklärt Kerstin Pommert, eine der Elternvertreterinnen.

Probleme mit der Lehrerin hat es aber auch schon an ihrer früheren Schule gegeben. Damals stand die Pädagogin wegen des Vorwurfs der Körperverletzung an einer Dessauer Grundschule vor Gericht. Das war zwischen 2006 und 2007. Die 58-Jährige soll einem achtjährigen Schüler das Knie in den Bauch gestoßen haben. Das Landesverwaltungsamt suspendierte die Pädagogin daraufhin mit sofortiger Wirkung vom Dienst. Das Landgericht Dessau-Roßlau stellte das Verfahren jedoch im Februar 2008 ein. Auch das Amtsgericht hatte erhebliche Zweifel an den Vorwürfen. Daher durfte die Frau 2009 in den Schuldienst zurückkehren, wurde aber nach Köthen versetzt. "Das Vertrauensverhältnis an der alten Schule war zerstört", so Gabriele Städter, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes.

Seit der Vorwurf der Ohrfeige im Raum steht, sind die Eltern in Köthen fassungslos, dass die Lehrerin noch immer unterrichten darf. Der Beteuerung der Schulaufsicht in dem Brief vom 21. Januar, dass "die Vorkommnisse in der Grundschule J.F. Naumann mit hoher Priorität bearbeitet werden", können sie nur schwerlich glauben, sie fühlen sich hingehalten. Und denken weiter an ihre Eindrücke aus dem Unterricht.

"Wir waren fassungslos über die Disziplin in der Klasse und die Art und Weise, wie Frau (...) mit der Situation umging. Die Kinder wussten oftmals nicht, was sie tun sollten, weil konkrete Arbeitsanweisungen fehlten", schreiben sie im November 2010 an Kultusministerin Birgitta Wolff (CDU). Aus den Protokollen geht hervor, dass die Kinder selbst in Anwesenheit der Eltern angeschrien worden seien. Klärende Gespräche mit der Lehrerin seien gescheitert, so Schulelternrats-Vorsitzender Maik Rott. Auch auf mehrere Anfragen der MZ reagierte die Lehrerin nicht.

Wie das Kultusministerium die Angelegenheit sieht, geht aus dem Antwortschreiben an den Schulelternrat vom 10. Dezember 2010 hervor: "Dass Sie im Interesse der Kinder eine sofortige Lösung der Problematik fordern, zumal es über einen längeren Zeitraum teilweise massive Hinweise auf Verfehlungen und Schlechtleistungen der Lehrerin gab", könne man nachvollziehen. Um arbeitsrechtliche Konsequenzen einleiten zu können, bedürfe es aber "weiterer personalrechtlicher Maßnahmen".

Schon jetzt ist die Liste der Maßnahmen, die von der Aufsichtsbehörde seit der Versetzung der Lehrerin nach Köthen ergriffen wurden, lang: Im Oktober 2009 wurde die Frau von der Funktion der Klassenleiterin entbunden. In der Folge wurde ihr der eigenverantwortliche Unterricht in Deutsch und Mathematik entzogen, später auch im Fach Heimat- und Sachkunde. Und schließlich erfolgte generell die Doppelbesetzung.

Laut Landesverwaltungsamt ist der Einsatz eines Zweitlehrers "grundsätzlich ein gängiges schulorganisatorisches Instrument." Genutzt werde dies etwa, um lange erkrankte Lehrer einzuarbeiten. In Einzelfällen werde die Doppelbesetzung "auch aus Fürsorgegründen angeordnet", also etwa bei schweren Konflikten mit einem Pädagogen. Das komme, so Städter, alle ein oder zwei Jahre einmal vor. Derzeit sei der Köthener Fall der einzige.

Warum bisher keine personellen Konsequenzen gezogen wurden, erklärt die Schulaufsicht mit ihren Erfahrungen. "Vergleichbare Fälle haben gezeigt, dass wir unsere Verantwortung und die Sorgen der Eltern sehr ernst nehmen und auch Kündigungen ausgesprochen haben. Allerdings folgten die Gerichte in den meisten dieser Fälle unserer Argumentation nicht." In der Folge habe man die Lehrkräfte wieder in den Schulbetrieb integrieren müssen. Allerdings habe es an der Naumann-Schule " in den vergangenen Monaten erneut Vorfälle, gegeben, die zur Einleitung disziplinarischer Maßnahmen veranlassten".

Während sich die Geduld der Eltern dem Ende neigt, kommt auf die Polizei weitere Arbeit zu. So wurde am Freitag bekannt, dass in dem Fall eine weitere Strafanzeige gestellt wurde.