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Amerikanische Nerze Amerikanische Nerze: Minks machen sich in Sachsen-Anhalt breit

Von Ralf Böhme 02.07.2012, 18:49

Stendal/MZ. - Einfach zum Kuscheln, sie sehen so niedlich aus. Doch auf der Jagdliste stehen sie ganz weit oben: Die Minks, auch amerikanische Nerze genannt, haben keine Schonzeit. Und das hat seinen Grund: Die pelzigen Streuner halten nichts von guter Nachbarschaft. Wie am Schollenesee in der Nähe von Stendal: Fast alle Lachmöwen sind weg, gefressen und vertrieben. Vogelkundler sind bestürzt. Noch 2008 zählte der Ornithologe Manfred Kuhnert rund 800 Brutplätze in dem Naturschutzgebiet - damals landesweit die größte Kolonie der Vögel.

Unruhe in der Tierwelt

Besonders gefährdet ist der Lachmöwen-Nachwuchs. Rund 5 000 junge vögel fallen den Minks zum Opfer - jährlich. Wo die amerikanischen Nerze auftauchen, so klagen Naturschützer, herrscht Unruhe in der Tierwelt. So auch an der Elbe bei Wittenberg, wo 21 Lachmöwen-Paare ihre schon halbfertigen Nester fluchtartig verlassen haben. Auch an vielen Stellen im Elbe-Havel-Winkel sind Wasservögel deshalb auf dem Rückzug.

Inzwischen sinken die Bestände an seltenen Schwarzhalstauchern und Fluss-Seeschwalben, an Blesshühnern und Stockenten - mitunter um fast 50 Prozent. Der Grund: Für den Mink sind kleine Vögel eine leichte Beute. Eigentlich gehört der Mink nach Nordamerika. Geschäftstüchtige Farmer haben ihn dann aber vor rund 100 Jahren nach Deutschland geholt, um ihn in Gefangenschaft zu halten und ihm dann - im wahrsten Sinne des Wortes - das Fell über die Ohren zu ziehen. Denn eigentlich sollen aus den Nerzen kuschlige Pelzmäntel werden.

Oft kommt es jedoch anders als gedacht. Immer wieder gelingt dem wendigen Tier die Flucht. Daher vermehren sich die Minks in der freien Wildbahn. Inzwischen bedrohen die Nerze über Jahrhunderte gewachsene Biotope. Und ein Ende ist nicht in Sicht, denn ein Wurf zählt zwischen zwei und zehn Jungtiere. Selbst einheimische Raubtiere wie Iltis und Mauswiesel sind nicht mehr sicher und werden zunehmend verdrängt.

In einem Fall sind die Minks sogar zum Fall für die Polizei geworden. Bis heute ist unklar, wie es 2007 zu einer Massenflucht von rund 18 000 Minks aus einer Zuchtstation in Pietzpuhl (Jerichower Land) kommen konnte. Nur etwa 6 000 Tiere konnten damals unter Mithilfe der Bundeswehr wieder eingefangen werden. Seither breiten sich die tierischen Flüchtlinge im Norden Sachsen-Anhalts extrem aus.

Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) ist besorgt: "Es ist davon auszugehen, dass sich 1 500 bis 2 000 der freigelassenen Tiere in der freien Natur etabliert haben und sich nachhaltig vermehren." Das bedeutet einen Riesenschub für die Mink-Population. Offenbar fühlen sich die leichtgewichtigen Muskelpakete in Sachsen-Anhalt wohl. Selbst in den großen Städten wie Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau sind sie längst heimisch. Überall dort, wo es Flüsse und Bäche gibt, fühlen sich die Minks gut aufgehoben und wandern ein. Ihren starken Appetit können sie vor allem in Auegebieten von Elbe, Saale, Mulde und Elster leicht stillen, wo sie zudem kaum einen Gegner fürchten müssen. Ähnlich ist es in den gewässerreichen Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Anteil der Jagdbezirke mit Mink-Vorkommen steigt in Sachsen-Anhalt landesweit - von Jahr zu Jahr. Gegenwärtig sind die Minks, mit die schnellsten Raubtiere in Deutschland, bereits in jedem fünften Revier unterwegs. Das geht aus dem aktuellen Wild-Monitoring hervor. Seit 2006 werden viele Wildtiere im Abstand von drei Jahren erfasst. So können Forscher nachweisen, dass Minks inzwischen aus ihren nördlichen Hochburgen bis in die Helme-Unstrut-Niederung in Thüringen vorgedrungen sind.

Invasion ist kaum zu stoppen

Ist diese Invasion überhaupt zu stoppen? Theoretisch ja, praktisch kaum: Einerseits können und sollen die wildernden Nerze gejagt werden. So sieht es das Landesjagdgesetz ausdrücklich vor. Andererseits ist das alles andere als einfach. Die Tiere lassen sich fast nur nachts blicken. Ansonsten verstecken sie sich in verzweigten, unterirdischen Bauen. Minks, zu Hause in der deckungsreichen Ufer-Vegetation, können außerdem ausgezeichnet tauchen. All das macht es schwierig, dem gewitzten Fleischfresser auf die Spur zu kommen.

Dennoch haben die Waidmänner allein 2010 immerhin 373 Minks erlegt, davon 186 im Raum Stendal. Es folgen das Jerichower Land mit 76 und Anhalt-Bitterfeld mit 44 getöteten Minks. Weitgehend Ruhe herrscht indes im Saalekreis - mit nur einem gemeldeten Abschuss. Was auf den ersten Blick als bescheidene Ausbeute erscheint, ist in Wirklichkeit ein enormer Zuwachs. Im Vergleich: 1994 wurden erst neun Nerze getötet, im Jahr 2000 waren es bereits 158.

Was zur Wahrheit gehört und viele Tierschützer empört: 90 Prozent der Minks werden mit Fallen erlegt. Vor allem die internationale Tierschutz-Organisation Peta kritisiert diese Vorgehensweise. Die Kästen aus Draht oder Holz, in die die Tiere mit Duftstoffen und Ködern gelockt werden, bescherten Stress, Verletzungen und oft ein qualvolles Ende. Wilko Florstedt, Geschäftsführer des Landesjagdverband, sieht dennoch darin eine Chance. "Die Fallenjagd hilft, andere Tiere vor dem Mink zu schützen." Und Minister Aeikens stärkt den Jägern den Rücken: Eine wirksame Dezimierung lasse sich "nur durch eine intensive und flächendeckende Fallenjagd" erreichen.

Das Einschwören auf diese Methode erklärt sich auch aus den Erfahrungen, die man in Sachsen-Anhalt mit Waschbären macht. Sie sind die ältere und größere Plage. So sind den Jägern allein 2011 rund 12 000 der Tiere in die Fallen gegangen - 300 mal so viele wie 1994. Ohne diese Anstrengungen, sagen Florstedt und Co., würden noch mehr Graureiher, Kormorane, Störche und Sumpfschildkröten den Räubern zum Opfer fallen.