Alten- und Pflegeheime in Sachsen-Anhalt Alten- und Pflegeheime in Sachsen-Anhalt: Heimaufsicht entdeckt bei jeder zweiten Prüfung einen Mangel

Halle (Saale) - Gelegentlich kommen sie mitten in der Nacht. Die Prüfer der Heimaufsicht des Landesverwaltungsamtes mit Sitz in Halle fuhren im vorigen Jahr zehnmal zu nächtlichen Kontrollen. Das geschieht etwa, wenn vermutet wird, dass Bewohner der Heime schon um fünf Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen werden, um gewaschen zu werden. „Ohne wirklichen Grund“, betont Referatsleiterin Marion Roscher. „Das ist unwürdig“. Roscher hofft, dass es Einzelfälle sind. Allerdings „ist die Dunkelziffer sehr groß“. Wirklich problematisch seien indes weniger als zehn Einrichtungen. „Die werden ständig begleitet und teilweise jeden Monat kontrolliert - unangemeldet.“ Insgesamt sei die Betreuung in Sachsen-Anhalt aber gut.
761 Prüfungen der Heimaufsicht gab es 2014 in den 723 Alten- und Pflegeheimen im Land. Dabei sind 470?Mängel aufgedeckt worden. Die Ergebnisse bestätigen den Eindruck, den knapp 50 Debattenbeiträge auf der Facebook-Seite der Mitteldeutschen Zeitung zu der Nachricht über die Mängel erwecken. Es fehle „gutes Personal“, die „ständig zunehmende Bürokratie“ sei ein zusätzliches Hindernis, heißt es in einem der Beiträge.
Die Heimbewohner „werden in Rollstühle gesteckt, auf dunkle Flure gefahren, wo sie dann schlafend in krummer Position den Vormittag verbringen müssen“, beschreibt ein anderer Facebook-Nutzer. „Ja, das gibt es“, sagt Roscher. Ein klares Defizit der Betreuungsqualität - 20 mal vermerkten die Heimaufsicht-Prüfer Mängel dieser Art im vorigen Jahr. Ein Eintrag in dieser Rubrik kann auch bedeuten: Heimbewohner kommen auch im Sommer nicht ins Freie, weil Personal fehlt. Es gibt keine Beschäftigungsangebote, die Senioren werden sich selbst überlassen. „Die Einrichtung lebt nicht“, nennt Roscher das. Und es sei bei einer Kontrolle schnell spürbar, ob ein Heim lebt - oder eben nicht. Werden Mängel festgestellt, geht die Arbeit der Heimaufsicht weiter: Es gibt Auflagen, Ratschläge - und weitere Kontrollen, „bis alles in Ordnung ist“, sagt Roscher. Werden die Vorgaben der Heimaufsicht ignoriert, können Bußgelder verhängt oder ein Aufnahmestopp ausgesprochen werden. So dürfen neue Bewohner nicht aufgenommen werden, wenn es beispielsweise weniger Personal als vorgeschrieben gibt, oder falsche Medikamente ausgegeben worden sind.
Viermal sind 2014 Aufnahmestopps verhängt worden, das betraf je eine Einrichtung im Harzkreis, im Kreis Mansfeld-Südharz, im Saalekreis und im Jerichower Land. Und zum ersten Mal seit 2008 verfügte die Heimaufsicht im April 2014 die Schließung eines Heimes. In dem Haus mit fünf Bewohnern in Halberstadt hatte es Streit zwischen dem privaten Träger und dem Personal gegeben. Das Personal stellte die Arbeit ein, die Bewohner waren sich selbst überlassen.
Mit 108 festgestellten Mängeln liegen Verstöße gegen die Dokumentationspflicht in der Pflege in der Liste der Heimaufsicht ganz vorne. Das kann bedeuten, dass nicht mehr nachvollziehbar ist, ob ein zuckerkranker Bewohner seine Insulinspritze erhalten hat. Abgehakt werden muss aber auch jedes Haare-Kämmen. „Die Pflegekräfte haben wenig Zeit, da wird schon mal ein Eintrag vergessen“, sagt Roscher. Hier solle es Entlastung geben - eine Verringerung der viel kritisierten Dokumentationspflicht werde vorbereitet, unter anderem mit einem Pilotprojekt.
Die Daten der Heimaufsicht zu einzelnen Einrichtungen werden, anders als die Ergebnisse des Pflege-Tüv des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, nicht veröffentlicht. Der Pflege-Tüv ist aber zuletzt in die Kritik geraten, weil die überwiegend vergebenen guten Noten nur geringe Aussagekraft haben. Nun wird erstmal ein neues Bewertungssystem erarbeitet. (mz)