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Streiks bei DHL Airports verpassen China-Boom: Warum Frachtgeschäft auch in Leipzig/Halle lahmt

Am Flughafen Leipzig/Halle fordern die DHL-Beschäftigten zwölf Prozent mehr Lohn. Doch das Frachtaufkommen steigt nicht mehr. Warum die Flieger aus Asien woanders landen.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 05.06.2025, 16:17
Ein Frachtflugzeug von DHL steht auf dem Vorfeld am DHL-Hub am Flughafen Leipzig-Halle.
Ein Frachtflugzeug von DHL steht auf dem Vorfeld am DHL-Hub am Flughafen Leipzig-Halle. Foto: Jan Woitas/dpa

Schkeuditz/MZ. - Die Funktionäre von Verdi geben sich kämpferisch: Tausende Mitarbeiter hat die Gewerkschaft am DHL-Drehkreuz am Flughafen Leipzig/Halle zu einem dreitägigen Streik aufgerufen, der bis in die Nacht zum Freitag andauern soll. Mit dem Warnstreik soll der Forderung nach zwölf Prozent mehr Lohn Nachdruck verliehen werden. „Die Mitarbeiter erwarten Wertschätzung und eine echte Lohnentwicklung“, sagt Verdi-Streikleiter Normen Schulze. 6.000 Beschäftigte hat DHL am Drehkreuz, die jede Nacht Fracht von mehr als 65 Flugzeugen aus aller Welt umschlagen.

Doch das Frachtgeschäft wächst mittlerweile nicht mehr. In Leipzig/Halle nicht und an vielen anderen deutschen Flughäfen auch nicht. Schaut man sich die Frachtbilanz des zweitgrößten deutschen Frachtflughafens an, dann ist im Vergleich zu 2019 noch ein ordentliches Plus von mehr als zehn Prozent zu verzeichnen (siehe Grafik). Aber: Im Jahr 2021 wurden in Leipzig/Halle 1,58 Millionen Tonnen umgeschlagen, 2024 waren es nur noch 1,38 Millionen. Mehr als 90 Prozent der Fracht gehen dabei auf das Konto von DHL

Die Gewerkschaft Verdi hat tausende DHL-Mitarbeiter am Drehkreuz in Leipzig/Halle zum Warnstreik aufgerufen.
Die Gewerkschaft Verdi hat tausende DHL-Mitarbeiter am Drehkreuz in Leipzig/Halle zum Warnstreik aufgerufen.
Foto: IMAGO/Christian Grube

An anderen Flughäfen sieht es noch düsterer aus. Der deutsche Branchenprimus Frankfurt (Main) hat seit 2019 etwa 2,5 Prozent an Fracht verloren und wurde von Istanbul (Türkei) vom europäischen Thron gestoßen. Die Nummer drei in Deutschland, der Flughafen Köln/Bonn, legte seit 2019 nur um 4,5 Prozent zu.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) warnt, dass ohne ein entschlossenes Gegensteuern der neuen Bundesregierung eine Abwanderung der Luftfracht aus Deutschland drohe. „Überhohe staatliche Standortkosten und die ungleiche Auslegung von EU-Vorgaben führen dazu, dass Warenströme zunehmend an deutschen Flughäfen vorbeigeführt werden“, sagt Pierre Dominique Prümm, Leiter der BDL-Projektgruppe und Vorstand Aviation und Infrastruktur der Fraport AG.

Hohe staatliche Kosten für Flugsicherungsgebühren

Das beste Beispiel ist der belgische Regionalflughafen Lüttich. Dieser konnte seit 2019 sein Frachtaufkommen um 28 Prozent erhöhen und ist Leipzig/Halle im Ranking der großen europäischen Frachtairports dicht auf den Fersen. Vor allem Airlines im Auftrag der chinesischen Online-Händler Temu, Shein oder Aliexpress nutzen den Flughafen. Ein Großteil der Waren wird dann per Lkw nach Deutschland gefahren.

Das Frachtaufkommen der deutschen Airport steigt insgesamt kaum noch.
Das Frachtaufkommen der deutschen Airport steigt insgesamt kaum noch.
Büttner

Was ist der Grund, dass deutsche Airports nicht vom China-Boom profitieren? Seit 2020 haben sich laut BDL die für die Luftfracht besonders relevanten Flugsicherungsgebühren mehr als verdoppelt. Im Vergleich der Gebühren für An- und Abflug für eine Boeing 777F als typisches Langstrecken-Frachtflugzeug mit benachbarten

Standorten liegt Deutschland an der Spitze. In Frankfurt, Leipzig/Halle, Köln/Bonn und München werden 1.481 Euro fällig. In Brüssel: 938 Euro, in Mailand-Malpensa (MXP): 716 Euro. Und in Istanbul fallen dagegen nur rund 72 Euro an. Am Flughafen Lüttich sind aufgrund einer staatlichen Förderung für den Standort in einer strukturschwachen Region überhaupt keine Flugsicherungsgebühren zu bezahlen.

Luftfahrtexperte Heiner Siegmund sieht aber noch andere wichtige Gründe: Zölle und fehlende Lobby. „Der Zoll ist eine große Bremse“, sagte Siegmund dieser Zeitung. Möchte eine asiatische Airline einen hiesigen Flughafen in größerem Umfang anfliegen, würden die Gespräche mit dem Zoll darüber bis zu einem Jahr dauern. „In Lüttich akquirieren Flughafen-Führung und Zoll gemeinsam neue Airlines“, berichtet Siegmund aus Gesprächen mit Verantwortlichen. Zudem arbeite der deutsche Zoll vielerorts – obwohl überall die gleichen EU-Regeln gelten – langsam und bürokratisch.

Ansiedlungen in Leipzig/Halle geplant

Zudem verweist Siegmund darauf, dass die Luftfracht kaum eine politische Lobby habe. „Frachtflüge werden im Vergleich zum Passagierverkehr wie Stiefkinder behandelt“, sagt der Logistikexperte. Es gebe in der Politik kaum Interesse an Ansiedlungen, dabei sei der Luftverkehr für die deutsche Industrie bedeutend. Die wichtigsten Exportgüter per Luftfracht seien Maschinen (Anteil von 23 Prozent am Gesamtwert), gefolgt von Pharmaprodukten. In Leipzig/Halle sieht Siegmund die Situation etwas anders. „Die Anteilseigner Sachsen und Sachsen-Anhalt bekennen sich zur Luftfracht und fördern diese auch.“ Doch bei der Ansiedlung neuer Frachtairlines tut sich der mitteldeutsche Flughafen schwer. Im Jahr 2023 strich der Online-Händler Amazon seine Basis in Leipzig/Halle.

Im März berichtete die MZ, dass sich die chinesische Firma Shaoke Logistics am Flughafen Leipzig/Halle angesiedelt hat. Der Frachtdienstleister hilft den großen chinesischen Online-Händlern, ihre Pakete zu den deutschen Kunden zu bringen. Firmenchef Chen Shi sieht Leipzig/Halle als zentrale Drehscheibe für Shaoke bei seiner Expansion in Europa an. Shi will die Flüge von aktuell zwei auf sieben pro Woche erhöhen – „und das ist erst der Anfang im Jahr 2025“. Shaoke nutzt dafür die usbekische Frachtairline My Freighter. Nach aktuellem Flugplan landen aktuell aber weiterhin nur mittwochs und freitags die Maschinen.