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Abrüstung Abrüstung: Die letzte Fahrt der Panzer

Von Caroline Berthot 14.09.2008, 19:34

Rockensussra/MZ. - Und doch ist es so. Erst bei genauem Hinsehen ist ein unauffälliges Hinweisschild zu erkennen, das den Weg über eine holprige Betonstraße zu einem ungewöhnlichen Firmengelände weist. Gleich neben dem massiven Eingangstor ist ein großer Panzer abgestellt, ein paar Meter weiter fällt der Blick auf ein weitläufiges Areal: Dort stehen rund 50 Stahlkolosse in Reih und Glied. Für die Panzer-Parade gibt es nur einen Grund: Das Kriegsgerät wird in Rockensußra seit Anfang der neunziger Jahre in großem Stil verschrottet.

Hunderte Motorblöcke, zerschnittene Rohre und sich meterhoch türmende Schrottberge zeugen davon, wie erfolgreich das Geschäft läuft: Über 13 500 Panzer und gepanzerte Kampffahrzeuge, meist aus dem Bestand der Bundeswehr, hat die Battle Tank Dismantling GmbH Koch (BTD) Rockensußra seit 1991 zerstört. Deutschlandweit ist BTD das einzige zivile Unternehmen, das Militärtechnik gemäß dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte (KSE-Vertrag) verschrottet.

Ein Oberst weinte

Dumpfe Schläge dringen aus den Werkhallen, Brennschneider werfen Schatten an die Wände. Drei "Marder" werden gerade in ihre Einzelteile zerlegt. Jeweils drei Arbeiter zwängen sich in das Innere der Fahrzeuge, bearbeiten die Schützenpanzer mit Vorschlaghämmern. Alles kommt ab, bis nur noch die nackte Karosse übrig bleibt. "Die wird jetzt in 50 mal 150 Zentimeter große Stücke geschnitten", brüllt Ronald Kirschner, Leiter der Demilitarisierung, gegen den Lärm an. Er weist auf die Schrottberge vor der Halle, die verkauft werden. "Ich habe schon manchen Oberst weinen sehen, wenn er hier seinen Panzer entdeckt hat", erzählt Kirschner.

Doch nicht alle Panzer enden restlos im Schrott. Ersatzteile sind ebenso gefragt. Im hinteren Bereich des 125 000 Quadratmeter großen Geländes startet ein "Leopard" unter lautem Getöse, dreht Runde um Runde - der Motor des Kampfpanzers wird getestet, er soll ausgebaut und später von der Bundeswehr wiederverwendet werden.

Für Vorarbeiter Andreas Glasebach ist der Umgang mit den rund 40 Tonnen schweren Ungetümen nach 16 Jahren im Betrieb Alltag. Dazu zählt auch das Wissen, dass ihre Arbeit genauestens überwacht wird - aus dem Weltall. 25 Satelliten beobachten ständig das Firmengelände von BTD. So viel Aufmerksamkeit wie Rockensußra dürfte damit wohl keinem anderen Dorf in Deutschland zuteil werden.

Feldjäger rückten an

Jede Bewegung der Panzer wird registriert und auf Fotos festgehalten. So soll verhindert werden, dass das Kriegsgerät in dunklen Kanälen verschwindet. Wird ein Panzer umgeparkt oder zur Zerstörung in eine der Hallen gefahren, muss das innerhalb von 72 Stunden bei der Bundeswehr gemeldet werden. Bleibt das aus, rücken die Feldjäger an. "Das geht verdammt schnell. Innerhalb von zwei Stunden waren wir umstellt", erinnert sich Roland Kirschner.

Für Geschäftsführer Peter Koch, der das Unternehmen seit 2004 leitet, sind ständige Kontrolle und strenge Auflagen eine Selbstverständlichkeit. Sein Beruf, so versichert der 53-Jährige, sei im übrigen mehr als nur ein Gelderwerb. Er nennt seine Arbeit einen "persönlichen Beitrag zur Abrüstung", und dies empfindet er "durchaus als beruhigendes Gefühl".

Vorarbeiter Glasebach, der früher in der benachbarten Kali-Grube sein Geld verdient hat, schätzt ebenfalls diesen "schönen Nebeneffekt" seiner Arbeit. Relativ gelassen erwartet er die großen Veränderungen, die dem Unternehmen bevorstehen. Denn Anfang des Monats wurde BTD zum sogenannten KSE-Verifikationsstandort ernannt. Nun kann der Betrieb unter anderem deutlich mehr Kampffahrzeuge auf seinem Gelände abstellen als bisher. Ein gewaltiger Schub für die Firma mit ihren 35 Beschäftigten. Mittlerweile wurden Verträge über die Verschrottung von zusätzlichen 926 Panzern abgeschlossen. Das sichert über Jahre Einnahmen - und Arbeit. Nun werden händeringend zusätzliche Mitarbeiter gesucht.

Andreas Glasebach geht nach all den Jahren, in denen er Panzer zerlegt, etwas ganz anderes durch den Kopf. "Ab und zu möchte ich auch mal etwas zusammenbauen, nicht immer nur zerstören." Der Wunsch wird wohl unerfüllt bleiben.