Zeitz Zeitz: Unterstadt vergessen?
ZEITZ/MZ. - Wer nur mal schnell eine Packung Milch oder eine Tüte Mehl braucht, Appetit auf Orangen oder Eier vergessen hat, der hat Glück im Unglück: In der Leipziger Straße 23 betreibt Uta Trautmann nicht nur, unterstützt von ihrem Mann Rudolf, ein Blumengeschäft, sondern bietet auch "WtB" an. Waren täglicher Bedarf, wie Trautmann lachend meinte. Das geschieht zum Teil aus Freundlichkeit für die Anwohner und immer wieder auch mal für Laufkundschaft. Der kleine Laden ist liebevoll dekoriert, die Regale mit den nötigsten Haushaltswaren und Lebensmitteln gefüllt. Das Geschäft zog schon ein-, zweimal um, blieb aber immer in der Leipziger Straße. "Wir sind seit 1992 vor Ort", sagte Trautmann, "auch den Kunden zuliebe."
Ihre Kunden sind froh, dass es sie noch gibt, doch den großen Gewinn können sie hier nicht machen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil immer mehr Leute weggezogen sind, immer mehr Häuser leerstehen, verfallen. Gut sei es, dass sich der Tierarzt hier niedergelassen habe, so Trautmann, auch die private Wertstoffannahme laufe. Nebenan die lange, leere Ladenfront, das deprimiert schon. Und viel Hoffnung, dass da wieder Mieter einziehen, haben auch Trautmanns nicht. Sie haben aber noch ihren Optimismus und wollen mit ihrem Tante-Emma-Laden für die Menschen da sein.
Mancher Anwohner aus der Unterstadt, die sich irgendwo zwischen Leipziger, Weißenfelser, Naumburger Straße und Weißer Elster definiert, ist einfach nur noch wütend. Bernd Bock, Dorothea Bauer und Hartmut Wendler meldeten sich am MZ-Lesertelefon und ihre Aussagen hatten einen Tenor: Wo sollen eigentlich die Einwohner der Unterstadt einkaufen? Welche Angebote gibt es für sie? Hat man sie einfach vergessen?
Hoffnung keimte auf, als sich im vergangenen Jahr ein möglicher Investor bei der Stadtverwaltung meldete, der auf der ehemaligen Sero-Immobilie in der Donaliesstraße einen Einkaufsmarkt errichten wollte. Nur dieser Investor nie wieder. Der Blick in das Gelände, das ein ganzes Viertel bis zur Schaedestraße einnimmt, wirkt ernüchternd: Müllberge, Unrat, Flaschen, Dreck.
"Hier baut niemand mehr, weil wir viel zu viel Einkaufszentren haben", meinte Dorothea Bauer, "hier kommt nichts Neues mehr her, doch gerade hier wohnen doch viele alte Menschen, die nicht mehr oder nicht immer Auto fahren wollen." Bernd Bock beschrieb, dass man nur den NP-Markt in der Weißenfelser Straße habe. Nicht einfach zu laufen, so bergauf. "Zwei, drei Gaststätten im ganzen Bereich auf dieser Seite der Elster", sagte Hartmut Wendler, "das ist trostlos. Ältere Menschen wie meine Schwiegereltern wollen nicht mehr umziehen, aber wer kann, der muss doch einfach weg aus der Unterstadt." Dem großen Einzugsbereich, der genau genommen von Zangenberg bis zum Ortsausgang Richtung Grana nördlich der Weißen Elster liegt, steht ein Einkaufsmarkt gegenüber. Die Märkte in der Tröglitzer Straße oder an der Geraer Straße sind zu Fuß wohl kaum zu erreichen. Auch andere Einzelhandelsgeschäfte vermisst man. Dorothea Bauer hatte gesagt: "Da sind wir ja schon froh, dass wir in der Weißenfelser Straße einen Geldautomaten haben und eine Apotheke, aber es ist nicht viel."