Zeitz Zeitz: Mehrheit stimmte 1991 gegen Gustav Flörsheim
ZEITZ/MZ. - Leipziger Straße oder Dr.-Flörsheim-Straße? Die Veranstaltung zum Gedenken an die Pogromnacht, die ganz im Zeichen der Familie Flörsheim stand, warf am Rande noch eine ganz andere Frage auf: Welchen Grund gab es, die Dr.-Flörsheim-Straße Anfang der neunziger Jahre in Leipziger Straße umzubenennen? Gleichzeitig wurde die Überlegung laut, über eine Rückbenennung nachzudenken.
Die Frage nach Gründen für die Umbenennung vor 19 Jahren scheiterte bereits 2007. Wahrscheinlich war es das DDR-Wohlwollen für Flörsheim, das 1991 eilig zur Umbenennung "seiner" Straße führte. Die neue Stadtverordnetenversammlung war nach der Vereinigung gerade ein paar Monate alt und hatte kaum dringendere Aufgaben, als 30 Straßennamen in Zeitz auszumerzen. Der Vorwurf der Bilderstürmerei wurde nicht mit Fakten begründet, sondern mit der Aussage, "DDR-Ideologie auszumerzen". Ob allerdings ein Schützenplatz nun wirklich ideologisch unverfänglicher ist als ein Volksplatz oder Straße der Freundschaft wirklich schlimmer als Schießgrabenstraße wurde nicht inhaltlich diskutiert. Heute scheint es manchem eher Ironie des Schicksals, dass man jetzt für den Juden, Humanisten und Antifaschisten und SPD-nahen Flörsheim einen "Stolperstein" zum Gedenken in der nunmehr Leipziger Straße verlegt hat. Leipziger Straße hieß sie übrigens ohne Unterbrechung bis 1947.
"Vielleicht haben es die neuen Stadträte damals einfach nicht gewusst, dass Flörsheim natürlich Antifaschist, aber eben auch Jude war und der SPD nahestand", schrieb Martin Gebauer, "die Proteste der Bürger gegen diese und auch andere Umbenennungen wurden jedenfalls nicht gehört und jetzt wird es wohl zu teuer."
Mit den neuen Fakten, die nun Werner Dietrich aus Halle, promovierter Historiker, der sich mit dem Leben Flörsheims in der Zeit des Nationalsozialismus befasst, zusammengetragen und ausgewertet hat, stellt sich die Frage nach der Umbenennung wieder. Dietrich hatte einen fast lückenlosen Abriss über das Leben Gustav Flörsheims in Zeitz von 1932 an bis zur Verhaftung 1935 und seinem Tod am 22. April 1943 in Auschwitz gegeben. Dietrich erzählte von der psychischen und physischen Gewalt, der Flörsheim ausgesetzt war und beschrieb vor allem seine unbeugsame Haltung gegenüber dem Naziterror. So formulierte er auch am Ende seines Vortrages, es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, ob man die Bilderstürmerei der Nachwendezeit nicht überwinden und die Leipziger Straße wieder in Dr.-Gustav-Flörsheim-Straße umbenennen sollte. "Ich erwarte nicht, dass den Straßenumbenennern von 1990 die Schamesröte ins Gesicht steigt", hatte Dietrich erklärt, "aber ist es nicht an der Zeit, wieder über die Dr.-Gustav-Flörsheim-Straße zu reden?"