Verfolgung im Dritten Reich Verfolgung im Dritten Reich: Den Opfern ein Gesicht geben. Aaron Guttstein stellt neues Sachbuch vor.

Kayna - Hunderte jüdische Mitbürger, aber auch Zigeuner oder Homosexuelle aus Zeitz überlebten die Nazidiktatur nicht. An sie zu erinnern, ihnen ein Gesicht zu geben, dem hat sich Aaron J. Guttstein aus Kayna verschrieben. Und ein Buch geschrieben. Gerade ist bereits die neue, überarbeitete und deutlich erweiterte Ausgabe erschienen.
Aaron Guttstein recherchierte jahrelang die jüdische Geschichte in Zeitz, um den Opfern der Nazidiktatur ein Gesicht zu geben
„Die Lebenswege großer Menschen gleichen Legenden, sie sind beschwerlich, aber schön.“ Das stand bereits auf dem Einband eines über 200 Seiten starken Buches, das 2014 erschienen und mittlerweile vollständig vergriffen ist.
Es war der erste solide aufgearbeitete Band, der an jüdisches Leben in Zeitz erinnerte, in die jüdische Geschichte der Stadt führte. „Es ist eine sehr solide Forschung, die an mehreren Beispielen das Gesamtbild der Shoa in einer kleinen Stadt in Mitteldeutschland aufzeigt“, schrieb Max Privorozki, der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Sachsen-Anhalts und Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Halle, zu der Guttstein gehört, damals.
Im ersten Buch von Aaron Guttstein 2014 steckten schon zehn Jahre Arbeit. Bundesweit besuchte er Bibliotheken, Archive, jüdische Kulturzentren und knüpfte Kontakte. Sein Interesse für die jüdische Geschichte in Zeitz wurde durch die eigene Familiengeschichte geweckt, als er 16, 17 Jahre alt war. Ein guter Grundstock war auch mit der Arbeit über jüdisches Leben in Zeitz vom Verein zur Förderung der ländlichen Region Sachsen-Anhalt Süd gegeben.
Großes Interesse fand sein neues Buch bei der Präsentation in der Stadtbibliothek „Martin Luther“ Zeitz. Unterstützt wurde er dort von Schülerinnen vom Christophorusgymnasium, der Musikschule „Anna-Magdalena Bach“ Zeitz, den Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek und Techniker Lutz Röhrborn. Sie sorgten dafür, dass es eine würdige Gedenkveranstaltung zum 27. Januar wurde.
Nun hat Guttstein zum 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, sein zweites Buch präsentiert. Über 700 Seiten, ausklappbare Stammbäume, Geschichten, die berühren, aufwühlen und Lebenswege nachzeichnen, die mit Zeitz eng verbunden sind. „Lebenswege – Die Shoa in Zeitz 1933-1945“ erzählt aus dem Leben ehemaliger Zeitzer Juden, Sinti und Romas, Zeugen Jehovas, Homosexuellen und Opfern der Euthanasie sowie deren Familien.
Grausames Morden im Dritten Reich: Aaron Guttstein forschte von der Vergangenheit bis in die Gegenwart
Guttstein hat seine aufwendigen Recherchen noch einmal vertieft und ausgeweitet. Viele Schicksale kann er von Zeitz aus nachverfolgen. Fast alle endeten im Gas und im Massengrab in Auschwitz, Theresienstadt, Rehmsdorf, wo sich das Außenlager Wille befand.
Im Buch gibt es Tabellen, in denen die Opfer genannt werden: Allein 20 Seiten sind Opfer aus Rehmsdorf. Oft weiß Guttstein nun, wann, wo oder sogar wie sie starben: Sie verhungerten, Medikamente und ärztliche Versorgung fehlten, nein, wurden bewusst unterlassen, sie waren überanstrengt, wurden misshandelt, starben im Gas.
Doch welches unermessliche Leid hinter diesen Fakten steht, das kann selbst Guttstein kaum ermessen. Es schmerzt ihn. Umso wichtiger, und nicht zuletzt gemessen an aktuellen Ereignissen, rechter Propaganda, Salonfähigkeit von Nazi-Parolen und Gleichgültigkeit, ist seine Arbeit. Guttstein gibt Opfern ein Gesicht, verfolgt ihre Spuren - oft bis in die Gegenwart.
So waren zu seiner Buchpräsentation auch Nachfahren solcher Zeitzer Familien gekommen, zu denen der Autor einen engen Kontakt hält. Sie sind glücklich, dass jemand diese Geschichte lebendig erhält, denn sie darf nicht vergessen werden. Das Buch ist auch wichtig als Nachschlagwerk für Archive und Bibliotheken - in vielen großen über die ganze Welt verteilt, ist es zu finden. „Aber diese Arbeit ist nicht allein mein Verdienst“, sagt Guttstein, „aus diesem Grunde bedanke ich mich bei allen Sponsoren und Förderern, die auch diesmal an die Drucklegung geglaubt haben.“
Er dankt auch den Familienangehörigen, die trotz ihres hohen Alters und angegriffener Gesundheit die Strapazen der Anreise von mehreren 100 Kilometern auf sich nahmen, um zur Buch-Präsentation zu kommen. „Und ich danke meinen Kritikern, die mich bestärken, weiter zu arbeiten.“
Lebenswege – Die Shoa in Zeitz 1933-1945 von Aaron Guttstein, Preis 35 Euro, zu beziehen über den Autor [email protected] und in der Schmiede Schmidt in der Roßgasse in Zeitz.
(mz)