Unterirdisches Zeitz Unterirdisches Zeitz: Vom Bierlager zur Touristenattraktion

Zeitz/dpa. - Die Drittklässler stehen in Zeitz in acht MeternTiefe in einem Gang genau unter dem Tresor einer Bank und finden es«cool». Natürlich wollen sie nicht an das Geld des Geldhauses,sondern haben ihren Wandertag in den unterirdischen Teil der Stadtverlegt. Dafür haben die Schüler Helme aufgesetzt und Schutzumhängeübergezogen. Das Tunnelsystem in Zeitz stammt aus dem Mittelalter undist einzigartig in Sachsen-Anhalt. «Hier herrscht das ganze Jahr übereine konstante Temperatur von 12 bis 13 Grad und eine relativeLuftfeuchtigkeit von 90 Prozent», erklärt Gästeführerin ChristineRost.
Die Gänge sind rund neun Kilometer unter der Stadt verteilt undteilweise miteinander verbunden. Die Anlage entstand über vieleGenerationen im 14. bis 16. Jahrhundert. «Das waren Menschen, diesich im Bergbau auskannten und nur mit Hammer und Meisel unter denKellern der mittelalterlichen Häuser die Gänge in den weichenBuntsandstein trieben», erzählt die Gästeführerin. «Aber hier wurdenicht Bergbau betrieben, die Gewölbe und Gänge dienten zur Lagerungvon Bierfässern.»
Im Mittelalter war Bier nicht nur Genussmittel, sondern ebenso einwichtiges und weit verbreitetes Grundnahrungsmittel. Zum Beispielwurde Biersuppe zubereitet. Sie wurde durch die Hitze beim Kochenalkoholfrei und konnte auch Kindern vorgesetzt werden. Damals gab esnoch keine großen Brauereien. Die Familien brauten in ihren Häusernihr eigenes Bier. «Aber in den normalen Hauskellern gab es nicht diebenötigten konstanten Klimabedingungen, also wurde unter denHauskellern weiter gegraben, mitunter bis zu drei Etagen und bis zuelf Meter tief», erzählt Rost. Weil die Arbeit mühsam war, wurdenkeine großen Bierkeller angelegt, es blieb vielmehr bei schmalenGängen mit Nischen, in denen die Fässer lagerten.
Mit der Gründung von großen industriellen Bierbrauereien im 19.Jahrhundert verloren diese Gänge ihren Sinn und verfielen. «Die Leuteverfüllten die Gänge mit Müll und Schutt», sagt Rost. Nur im ZweitenWeltkrieg wurde ein Teil wieder frei geräumt und als Luftschutzkellergenutzt. Bereits zu DDR-Zeiten gab es Überlegungen, dieses System fürdie Öffentlichkeit begehbar zu machen. Allerdings wurde diese Ideeschnell wieder verworfen, weil sich auch Gänge unter dem Rathaus unddem Polizeigebäude befanden. Das hatte den damaligen MachthabernAngst gemacht.
Erst nach der Wende legten Mitglieder des neu gegründeten Vereinsgemeinsam mit ABM-Kräften die Hohlräume wieder frei, Lichtleitungenwurden gelegt, und neue Durchbrüche verbanden die Gänge zu einerTouristenstrecke. Der erste Abschnitt wurde 1992 begehbar.
«Jetzt kommen jedes Jahr etwa 12 000 Touristen», sagt derGeschäftsführer der Interessengemeinschaft Unterirdisches Zeitz,Andreas Wilke und erklärt: «Wir haben hier in Sachsen-Anhalt eineinmaliges Museum, dessen Größe aber nur ungefähr bekannt ist. ImMittelalter wurden ja keine Pläne angelegt und so finden wir immernoch weitere Gänge.» Nach Wilkes Schätzungen gibt es innerhalb deralten Stadtmauern etwa 300 Häuser mit diesen Gängen. Zwar gebe esauch in anderen Orten beispielsweise in Thüringen und SachsenTiefkeller, doch diese seien nach Alter, Anlage und Zweck nicht mitdenen in Zeitz vergleichbar.