Rotkäppchen-Kabarett-Reihe Rotkäppchen-Kabarett-Reihe: Couplets des Altmeisters amüsierten
Freyburg/MZ. - Auf der Bühne steht ein Garderobenständer, daran ein schlichter Herrenmantel - "Der Überzieher". Das Kleidungsstück ist Requisite zu einem der bekanntesten Couplets eines Mannes, dessen Markenzeichen eigentlich ein Frack war. Der soll stets etwas abgeschabt gewesen sein, auch dann noch, als sein Träger schon "Gagen wie Caruso" bezog: Otto Reutter, einer der Stars des deutschen Kabaretts der 20er Jahre.
Hans-Peter Körner, über 20 Jahre als Schauspieler und Kabarettist am Erfurter Schauspielhaus tätig und heute freischaffend mit seinem "Literaritäten-Kabarett" im Land unterwegs, gastierte am Sonnabend mit einem Otto-Reutter-Abend im Kabarettkeller der Rotkäppchen Sektkellerei in Freyburg. Nachdem eine Woche zuvor Walter Plathe mit seinem Otto-Reutter-Programm in Naumburg aufgetreten war, bescherte Rotkäppchen die zweite Gelegenheit zur Wiederbegegnung mit dem Humor-Klassiker. Reutter selbst hätte die "Reutter-Welle" sicher zu kommentieren gewusst - mit einer weiteren Stegreif-Strophe zu seinem berühmten Refrain "Ich wunder mir über janischt mehr". Der Star des Berliner Wintergarten-Theaters war bekannt dafür, dass er zu dem, was er morgens in der Zeitung las, abends auf der Bühne bissige Anmerkungen machte. Manches seiner Couplets soll es so auf über 250 Strophen gebracht haben, weiß Reutter-Interpret Körner.
Die Sorge der Veranstalter, dass sich die Doppelung auf den Besuch auswirken könnte, erwies sich als unbegründet. Zwar waren diesmal an der Abendkasse noch einige Karten zu haben, doch letztlich war der Saal so gut wie voll besetzt. "Mancher ist vielleicht gerade deshalb gekommen, weil ihm Reutter wieder in Erinnerung gebracht wurde", vermutet Rotkäppchens Kabarett-Prinzipalin Zarah Arnold. Auch angesichts der Tatsache, dass das deutsche Kabarett in diesem Jahr so etwas wie 100. Geburtstag feiert, passte die Verbeugung vor dem Altmeister gut ins Sektival-Programm. In Reutters Liedern über Menschliches und Zwischenmenschliches findet sich das Publikum auch heute noch wieder. "So ist es", applaudiert der von Termindruck geplagte Häuslebauer, wenn das Couplet vom gewissenhaften Maurer erklingt, der sich den ganzen Tag über an einem einzigen Ziegelstein festhält. "Genau so", stimmen gestresste Ehemänner zu, wenn Reutter in "Der Blusenkauf" den Leidensweg eines Gatten beim gemeinsamen Shopping mit der Holden nachzeichnet.
Das letztgenannte Couplet dürfte mancher am Sonnabend vermisst haben. Es gehöre zum Programm seines Reutter-Abends Nr. 2 gab Hans-Peter Körner Auskunft. Körner, der mit einem Rucksack von 18 Programmen durch die Lande zieht, hat für Reutter eine besondere Vorliebe. Sein drittes Reutter-Programm sei inzwischen fast fertig. Der Mime gerät ins Schwärmen. Er verfüge inzwischen über einen reichen Fundus an Texten, und Noten und manches Unbekanntere sei noch viel besser als die beliebten Standard-Nummern.
Körner zeigte sich im Übrigen dem "richtigen Reutter" an Mutterwitz ebenbürtig. Sein Umgang mit den Tücken eines eigenwilligen Mikrofons gedieh zu einer echten Bereicherung des Programms.