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Unfalltragödie im Burgenlandkreis Nach tödlichem Unfall bei Weißenfels: Erinnerungen an die Tragödie von Kretzschau 1959

Von Torsten Gerbank 19.08.2017, 07:00
Günther Prater in der Wohnstube seines Zuhauses in Kretzschau. Einerseits die aktuelle MZ-Berichterstattung über den tragischen Tod einer Neunjährigen bei Weißenfels vor sich, andererseits mit Aufzeichnungen und Fotos von einem Unfall mit sechst toten Kindern in Kretzschau.
Günther Prater in der Wohnstube seines Zuhauses in Kretzschau. Einerseits die aktuelle MZ-Berichterstattung über den tragischen Tod einer Neunjährigen bei Weißenfels vor sich, andererseits mit Aufzeichnungen und Fotos von einem Unfall mit sechst toten Kindern in Kretzschau. Torsten Gerbank

Zeitz - „Man gewinnt Abstand, aber vergessen kann man nie.“ Günther Prater, 89, sagt es und bekommt feuchte Augen. Er hat schlaflose Nächte hinter sich. Immer wieder hat er sie gesehen, die toten Kinder, die ihr junges Leben bei einem schrecklichen Verkehrsunfall in Kretzschau lassen mussten, die Verletzten, das Blut.

Das ist nun 58 Jahre her. Und die Erinnerungen daran, als der damals 31-jährige Günther Prater mit als erster an der Unfallstelle war, sind jetzt wieder hochgekommen.

Ein Unfall auf der Autobahn 9 bei Weißenfels, bei dem jüngst ein neun Jahre altes Mädchen ums Leben gekommen ist, hat das Kopfkino in  Prater wieder ins Laufen gebracht. Prater, Hauptbrandinspektor im Ruhestand, bis Mitte der 1990er Jahre aktives Mitglied in der Feuerwehr und seither Chef der Alters- und Ehrenabteilung der Feuerwehr Droyßiger-Zeitzer Forst, hat in seinem langen Feuerwehrleben viel erlebt. Unfälle, Brände, Tragödien. Und er behauptet von sich, hart im Nehmen zu sein.

Mitgefühl mit Einsatzkräften vom Unfall bei Weißenfels

Aber wenn es um Kinder gehe, dann bekomme er weiche Knie. Deshalb wisse er auch genau, wie sich jene Einsatzkräfte fühlen, die  auf der Autobahn bei Weißenfels im Einsatz waren. Ihnen rät er, Gefühle, Gedanken, Trauer nicht in sich hineinzufressen.

Man müsse darüber reden,  vielleicht mit der Familie, mit Freunden, mit Gleichgesinnten - auch wenn das Überwindung koste. Nicht reden sei das Falscheste, was man tun könne. Und dabei, so sagen Praters Erfahrungen, sollten auch Emotionen nicht verdrückt werden: „Niemand muss sich seiner Tränen schämen, wenn er mit anderen über derartige Erlebnisse spricht.“

An den Unglückstag in Kretzschau kann sich Prater noch erinnern, als wäre es gestern passiert. Er sei im Hof gewesen, in Turnhose und Hausschuhen, habe am Auto rumgeschraubt. Er hörte den Zug vorbeifahren und dann einen Knall. Er rannte zur Einfahrt und sah, dass der Zug praktisch auf dem Bahnübergang stand.

Da rannte er los und sah das Unglück. Der Zug hatte das linke Hinterteil des Lasters, es war ein H3A S4 000 Aufbau, ein Lkw, der unterschiedliche Aufbauten tragen konnte, gerammt.

Laster wollte 20 Kinder aus Meineweh und Umgebung vom fünften Kreispioniertreffen nach Hause bringen

Der Laster wollte etwa 20 Kinder aus Meineweh und Umgebung vom fünften Kreispioniertreffen in Zeitz nach Hause bringen. Sechs überlebten den Unfall nicht. Ein Kind, das zunächst als vermisst galt, habe Prater unter dem Zug hervorgeholt - tot.

Das Gesehene habe sich in seine Seele gebrannt. Und er glaube, dass er mit dem Alter sogar noch sensibler auf die Erinnerungen reagiere.

Denjenigen, die bei dem Unfall bei Weißenfels im Einsatz waren, wünsche er viel Kraft, das Erlebte zu verarbeiten. Wenn sie glaubten, Prater könnte ihnen dabei helfen, bräuchten sie nur Kontakt mit ihm aufzunehmen. Er wäre gern bereit, mit Feuerwehrleuten oder anderen Betroffenen zu reden. (mz)

So berichtete die Tageszeitung Freiheit am Montag, 8. Juni 1959, über den tragischen Verkehrsunfall in Kretzschau.
So berichtete die Tageszeitung Freiheit am Montag, 8. Juni 1959, über den tragischen Verkehrsunfall in Kretzschau.
MZ