Marode Immobilie in der Schützenstraße 7 Marode Immobilie in der Schützenstraße 7: Mit dem Abriss geht auch ein Stück Geschichte

Zeitz - Das Haus Schützenstraße 7 in Zeitz wird abgerissen. Die Entkernungsarbeiten laufen bereits. Das gründerzeitliche Gebäude, das lange leerstand und bei einem Dachstuhlbrand im April 2014 unbewohnbar wurde, hat eine große Geschichte: Hier befand sich jahrzehntelang ein berühmtes Fotoatelier in Zeitz.
Zu einer Zeit, als an das Massenphänomen Smartphone-Selfie noch nicht zu denken war und Angehörigen und Freunden zu Weihnachten mit einer qualitätsvollen Porträtaufnahme vor entsprechender Kulisse eine Freude gemacht wurde, führte der Weg im Sonntagsstaat zumeist ins Föppel’sche Atelier in der Schützenstraße 7, zu DDR-Zeiten Thälmannstraße 7. Vom straßenseitigen Hauseingang gelangte man durch den langgestreckten Flur weiter über ausgetretene Treppenstufen in das Atelier in der ersten Etage.
Bauherr Friedrich Stockmann
Gelegen in einer der ältesten gründerzeitlichen Straßen von Zeitz, wurde das Haus Schützenstraße 7 im Jahr 1888 durch die Firma des Maurermeisters Wiedemann erbaut, der architektonische Entwurf stammte ebenfalls von ihm. Bauherr war der seinerzeit bekannte Auktionator und Geldmakler Friedrich Stockmann. Im 20. Jahrhundert gehörte die frühere Hausnummer Schützenstraße 25 nacheinander drei Fotografen. Den Atelierbetrieb in diesem Gebäude begründete Karl Wigand, der aus der bekannten Fotografenfamilie Wigand stammte, die ursprünglich über viele Jahrzehnte in der Zeitzer Unterstadt ansässig war. Nach Wigands Übersiedlung nach Hamburg besaß das Haus der Hof-Fotograf Ernst König, der es 1928 an den Fotografenmeister Hans Föppel (1889-1975) verkaufte.
Vor 100 Jahren in Zeitz geboren
Geboren in Potsdam am 24. November 1889, lebte der junge Wilhelm Richard Hans Föppel vor dem Ersten Weltkrieg im sächsischen Annaberg, heute Annaberg-Buchholz, wo sein Vater Heinrich ein Fotoatelier betrieb. Hier lernte er auch seine 1891 geborene Frau Paula kennen. Ihr ältester Sohn Heinz, der nach dem Zweiten Weltkrieg in dritter Generation das Fotografengewerbe mit großem Erfolg fortführte, wurde vor 100 Jahren, am 9. Juli 1915, in Zeitz geboren, wo sich Vater Hans seit geraumer Zeit mit seinem Geschäft zunächst in der Weberstraße 17 niedergelassen hatte. Mehrere Jahre befand sich das Föppel’sche Atelier dann am Roßmarkt 8. Spätestens mit dem Umzug des Meisterbetriebes in die Flaniermeile Schützenstraße avancierte der Name Föppel zu einer Institution auf dem Gebiet der Fotografie. Heinz Föppel, der seit 1961 als Lehrbeauftragter und ab 1962 als Dozent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig unterrichtete, wurde zum Professor für Fotografie ernannt. Am 15. November 1983 verstarb der 1980 emeritierte Professor Heinz Föppel in Schkeuditz bei Leipzig. Zeitlebens war die Zeitzer Wohnung in der Thälmannstraße 7 sein Erstwohnsitz geblieben, obwohl er während des Semesters zumeist in seiner Zweitwohnung in der Landsberger Straße in Leipzig lebte.
Vom Waschpunkt zum Club Exklusiv
Nach Sanierungsarbeiten eröffnete der Dienstleistungsbetrieb (DLB) Zeitz nach Schließung des Föppel’schen Ateliers schließlich Anfang 1988 sein neues Fotoatelier in der Thälmannstraße 7. Nach dem Niedergang des Dienstleistungsbetriebes 1990 machte sich der erfahrene Fotograf Peter Dürre mit einem Fotostudio selbstständig, das er noch einige Jahre führte. Mit ihm endete schließlich die lange Fotografie-Tradition in den Mauern dieses bekannten Hauses.
Natürlich gab es neben den fünf Fotoateliers auch immer noch andere Geschäfte in dem großen Gebäude. In den 1930er Jahren war es das Elektrogeschäft von Mechanikermeister Alfred Gantz, und zu DDR-Zeiten nutzte der VEB Dienstleistungskombinat Zeitz das Ladenlokal. Aus dem „Waschpunkt“, den man in den frühen 1960ern einrichtete, wurde später die „Sofort-Reinigung“. Bis vor einigen Jahren befand sich im Hochparterre eine Versicherungsagentur und im Erdgeschoss ein Geschäft für An- und Verkauf. Zur am 1. Mai 2014 geplanten Eröffnung vom „Club Exklusiv“, wie es die knallrote Reklame an den Fenster- und Türscheiben noch immer verrät, kam es nicht mehr. Nach der substanzvernichtenden Brandstiftung in den frühen Morgenstunden des 28. April 2014 war das Ende dieses geschichtsträchtigen Geschäftshauses unwiderruflich besiegelt. (mz)
