Leere herrscht im Tante-Emma-Laden
Halle/MZ. - HEUCKEWALDE / MZ- In dem Tante-Emma-Laden in Heuckewalde sieht es aus wie leergefegt. In den Regalen stehen nur noch Restbestände. Isolde Steinbrecher gibt ihr Geschäft auf. "Ich verkaufe nur noch die Tageszeitung und ein paar bunte Illustrierte. Und das auch nur im ersten Quartal, weil mich die Leute im Dorf darum gebeten haben", sagt die gebürtige Heuckewalderin.
Die Ladenschließung steckt die 66-Jährige nicht so einfach weg. Ein bisschen Leid tut es ihr schon, allein wegen der Leute. Hier im Dorf kennt einer den anderen. Isolde Steinbrecher spricht von einer lieben Kundschaft. "Ich kann mich nicht beklagen." Vor allem die älteren Menschen im Ort hätten das Angebot genutzt. Viele kannte und kennt Isolde Steinbrecher noch aus ihrer Anfangszeit als Verkäuferin. "Den Beruf habe ich von der Pike auf gelernt", erzählt sie und die meiste Zeit "schaffte" sie im Konsum: einer Genossenschaft des Einzelhandels. Zuerst stand sie in der Verkaufsstelle in der Pölziger Straße ihre "Frau". Mit Umzug des Geschäfts in den Damm brachte Isolde Steinbrecher hier die Waren des täglichen Bedarfs an die Heuckewalder.
Über ihre Zeit im Konsum könnte die aufgeschlossene Frau ein Buch schreiben. "Zu DDR-Zeiten mussten die Verkäuferinnen einiges einstecken", erzählt sie. Viele ließen am Abend im Konsum Dampf ab, wenn es tagsüber auf Arbeit nicht so gelaufen war. "Dann kriegte der Letzte im Glied alles ab." So manche Begegnung hat sich im Gedächtnis der 66-Jährigen eingeprägt. Als es Mitte der 60er Jahre nur lose Butter auf Zuteilung gab, forderte ein Kunde von ihr: "Legen Sie das Stück erst mal auf die Waage". Er wollte auf Nummer sichergehen. Die Waage zeigte exakt 250 Gramm an. Mehr stand dem guten Mann nicht zu. Als der Kunde von Isolde Steinbrecher ein freundliches Lächeln erhielt, erklärte er mürrisch: "Das Konsumgrinsen kenn ich." Doch Kunden wie diese waren eher die Ausnahme, befindet die Verkäuferin. Sie konnte sich keinen anderen Beruf vorstellen. Der Umgang mit den Leuten, das war ihre Welt. Deshalb hat sie sich auch nach der Wende, als es den Konsum nicht mehr gab, mit einem eigenen Laden selbstständig gemacht.
Zum Angebot zählten Waren des täglichen Bedarfs, angefangen von Lebensmitteln bis hin zum Waschpulver. Und drei mal die Woche gab es frische Brötchen, Brot und Kuchen vom Bäcker Thieme aus Zeitz. Doch was anfangs noch gut lief, gestaltete sich mit der Zeit immer schwieriger. Viele ältere Kunden leben inzwischen nicht mehr und die Jüngeren kaufen in Supermärkten ein. "Der Wareneinkauf im Großhandel war für mich auch nicht mehr so günstig", erzählt die Geschäftsfrau. Dazu gesellten sich Frachtgebühren, die ihr die Zulieferer aufs Auge drückten. "Verdienen konnte ich mit dem Geschäft am Ende nichts mehr. Es war nur noch ein Hobby", erzählt die Tante-Emma-Laden-Besitzerin, die den Kontakt zu den Leuten suchte. Mit Schließung des Geschäfts am Damm 28 gibt es - mit Ausnahme der mobilen Verkaufswagen - keine Einkaufsmöglichkeit mehr im Ort. "Dabei hatten wir früher in unserem Dorf mal alles: Konsum, Bäcker, Schuster und selbst eine Post", zählt Isolde Steinbrecher auf. Mit etwas Wehmut denkt sie an diese Zeit zurück.