Lautsprecher des Milbenkäses zeigt sich sehr bodenständig
WÜRCHWITZ/MZ. - Denn es ist das Außergewöhnliche, das Helmut Pöschel auszeichnet. So hat der ehemalige Lehrer Generationen von Schülern in Kayna geprägt. So ist der Mann, der Biologie, Chemie und Kunsterziehung unterrichtete, auch zu seinem Spitznamen gekommen. Denn nicht nach "Helmut" oder "Pöschel" fragt, wer den Mann mit der weißen Schildmütze sucht, sondern nach "Humus".
Dieser "Humus" ist ein Kind des Schnaudertals, auch wenn er in Zeitz geboren wurde. Denn in Würchwitz war er immer zu Hause. Und er hielt schon als Jugendlicher gern in bewegten Bildern fest, was er in seiner Heimat sah und als schön und wissenswert empfand. Deshalb hat er sich als 16-Jähriger der Filmerei zugewandt, anfangs im Filmstudio des Hydreierwerks Zeitz. Eine Leidenschaft, die ihn nie wieder losgelassen hat.
Manfred Kunze, Bäckermeister in Kayna und für sein Brot berühmt, kennt Helmut Pöschel seit Jahrzehnten. Er weiß um dessen viele Facetten. "Wie der sich aufopfert für das Dorf, das weiß keiner so richtig", sagt Kunze über Pöschel. Und er weiß auch: "Wenn Humus ruft, sind sie alle da."
Mitunter erlebt der Bäckermeister das in seinem Geschäft in Kayna. Denn dort, an einem kleinen Tisch hinter der Verkaufszone, ist Pöschel Stammgast. Dort trinkt er fast jeden Morgen Kaffee, dort trifft er sich mit Kameraleuten, um Filmprojekte zu besprechen, erfährt Klatsch und Tratsch aus dem Schnaudertal. "Schon zu jener Zeit, als ich noch Lehrer war, habe ich hier gefrühstückt", erzählt Pöschel zwischen Kaffee und Quarktasche. Um dann zu ergänzen, dieser Platz hinter der Kuchentheke sei so eine Art Büro. "Weil Käse und Brot gut zueinander passen", meint Humus und ist bei jenem Produkt, das er weltbekannt gemacht hat: dem Würchwitzer Milbenkäse. Gekrabbelt hat's im Inneren des lebendigsten Käses der Welt schon immer. Doch berühmt wurde der Käse und mit ihm der kleine Ort im Schnaudertal erst durch Humus und seine vielen Mitstreiter. Der schickte die Milben, die den Käse reifen lassen, sogar mit auf eine Reise ins Weltall. Er preist regelmäßig die schmackhaft-herzhafte Spezialität auf internationalen Slow-Food-Messen an und er hat dem Käse sogar schon Auftritte im Fernsehen verschafft.
"Ein bisschen schräg", nennen das die einen. "Ein toller Typ mit Ideen", sagen die anderen. Helmut Pöschel mag beide Arten von Menschen. "Die Leute hier in meiner Heimat sind sehr differenziert. Du musst bei allem, was du tust beachten, was lassen die Leute zu. Und es gibt immer Querdenker. Du hast nie 100 Prozent", sagt Humus. Gerade die Eigenheit in der Region mag er, deshalb lebe er gern in Würchwitz und dem Schnaudertal, dessen Landschaft er als sanft-hügelig nicht nur mit Worten beschreibt. Sondern mit der Hand in der Luft Kurven zeichnet: Unverkennbar eine liegende Schönheit.
Doch nicht nur der Blick fürs Schöne an Mensch und Natur zeichnet Humus aus. Er ist ein politischer Mensch, ein Querdenker und Kritiker, der sich selbst jedoch schwer überzeugen lässt. Das zeigt er seit mehr als drei Jahrzehnten bei den Mühlengesprächen in der Suxdorfer Mühle, bei denen die Gäste heute nicht mehr auf Säcken sitzen wie in den Anfangsjahren. Aber bei denen sich an der Qualität der Gäste kaum etwas verändert hat. Professoren von Universitäten, Botschaftsangehörige, Gewandhausmusiker und Liedermacher finden den Weg in die Mühle, wenn Initiator Humus ruft, und lassen die Verbindung zwischen Würchwitz und der Welt leben. Und wenn es nur für wenige Stunden ist.
Helmut Pöschel ehrt das Verdienst des wohl bekanntesten Sohn seines Dorfes. Johann Christian Schubart, der Reformlandwirt, Verbreiter des Kleebaus und der Begründer der Stallfütterung. Zu dessen Ehren wird seit mehr als 150 Jahren in Würchwitz Kleefest gefeiert. Und seit vielen Jahren ist Humus Vorsitzender des Kleefestvereins. "Schubart wollte ein freundliches Landvolk. Dieses Ziel wollte ich mitgestalten", bekennt Helmut Pöschel. Bauernforum, Mühlengespräche, Milbenkäse, Badewannenrennen sind Produkte dieses Gestaltens. Und ein Gaunertrio, das einst vom dänischen Festland aus die Leinwand eroberte, und heute als Würchwitzer Evolutionsprodukt der "Olsenbande" unter Pöschels filmischer Dirigentschaft wieder Lachsalven hervorruft und Kinos in der Region füllt.