Von Shadows inspiriert Hommage an die Shadows: Warum ein Mann asu Geußnitz E-Gitarren baut

Geußnitz - Eine Werkstatt im Hinterhof. Neben dem Fenster duckt sich ein wuchtiger, dunkler Schrank unter die niedrige Decke und verschluckt das einfallende Tageslicht. Die Wände hängen voll von Werkzeugen, ziemlich alt, doch gut gepflegt. Einziger Zeuge modernerer Zeiten ist das schwarze 90er-Jahre-Kompaktradio mit den zwei Kassettendecks, das sich stumm an eine Wand lehnt. Über der Werkbank glimmen Leuchtstoffröhren vor sich hin. Genau hier baut Reinhard Linke E-Gitarren.
Es ist kalt in der Werkstatt. Holz arbeite und verziehe sich in der Wärme, erklärt Linke, der gerade mit einem Hobel den Hals seiner nächsten Gitarre bearbeitet. Span um Span wird der Hals schlanker. Er muss einmal gut in der Hand liegen, damit sich schnelle Soli und komplizierte Akkordwechsel komfortabel spielen lassen.
Reinhard Linkes Gitarren entstehen aus der Langsamkeit heraus
Reinhard Linkes Gitarren entstehen aus der Langsamkeit heraus. Nur für die gröbsten Arbeitsschritte nutzt der 75-Jährige Maschinen. Das Meiste ist reine Handarbeit. Bloß nichts dem Zufall überlassen, lautet die Devise. „Schließlich machen die kleinen Nuancen den Ton.“ Er vertraut dabei auf Werkzeuge, von denen sich manche schon in vierter Generation in seinem Familienbesitz befinden. Denn der Gitarrenbauer entstammt einer Tischlerfamilie mit langer Tradition.
Sein Großonkel war der 1946 verstorbene Francois Linke, einer der berühmtesten Kunsttischler von Paris und Vertreter der Belle Époque. Sein Vater war ebenfalls Tischler und so verwundert es wenig, dass auch Linke 1957 als Lehrling in Gera diesen Beruf ergriff. „Eigentlich wollte ich lieber Instrumentenbauer werden, aber da war zu der Zeit schwer ran zu kommen.“
Welche Band den Gitarrenbauer faszinierte
Ein tiefes Interesse für Musik hatte bei ihm immer bestanden. Doch die Initialzündung kam in Gestalt einer britischen Rock-Band. Es war 1961, als er als junger Mann in seiner Dachkammer bei Radio Luxemburg zum ersten Mal die Shadows hörte. Die Band zeichnete sich durch ihre markanten, rauen Instrumentalstücke aus. „Das hat mich so bewegt, dass ich mir sagte, ,das musst du auch lernen’“, sagt Linke.
Er kauft sich kurz darauf seine erste Gitarre, schafft sie nach oben in die elterliche Dachkammer in Gera und beginnt, „in mühseliger Kleinarbeit“ zu üben. Dann kommen die Beatles auf, die Rolling Stones und vertiefen seine Leidenschaft. „Diese Zeit hat mich so geprägt, besonders die Gitarrensolos.“
Beruflich hat der Hobby-Gitarrenbauer vieles gemacht
Beruflich hat der Hobby-Gitarrenbauer vieles gemacht. Er war Funker bei der Grenzpolizei, Harmoniktischler in der Akkordeon Manufaktur Buttstädt in Gera, hatte Landwirtschaft studiert, war Städtemodellbauer und Möbelrestaurator. Die Konstante in seinem Leben ist die Musik. So spielte Linke privat in vielen Bands, gründete in Kayna beispielsweise die Club-Combo.
Woran es zu DDR-Zeiten jedoch stets mangelte, waren professionelle Instrumente. „Die Musima-Gitarren gingen meistens unter dem Ladentisch weg.“ West-Gitarren waren schon gar nicht zu kriegen. So kamen Linke und sein Freund André Vogel 1986 schließlich auf die Idee, sich die gewünschten Gitarren einfach selbst zu bauen. Ihr Markenzeichen: Die kleine Schwalbe auf dem zwölften Bund. Anfang der 2000er wird sogar Puhdys-Gitarrist Dieter Birr, alias „Maschine“, auf die beiden Hobby-Gitarrenbauer aufmerksam und lässt sich von ihnen ein Instrument maßschneidern.
Seit über 30 Jahren fertigt der Geußnitzer E-Gitarren
In der kalten Werkstatt wirft Reinhard Linke einen kritischen Blick auf den Gitarrenrohling, der vor ihm in der Werkbank verkeilt ist. Dann setzt er die Feile an. Seit über 30 Jahren fertigt der Geußnitzer E-Gitarren. Das Instrument, an dem er gerade arbeitet, wird seine Jubiläumsgitarre und ist optisch eine Hommage an die legendäre Fender Stratocaster. Knallrot lackierte Versionen dieser Bauart waren das Markenzeichen der Shadows. Künstler wie Buddy Holly, Eric Clapton und Jimi Hendrix machten die Stratocaster berühmt.
Die meisten von Linkes Gitarren erinnern an diese Bauart, doch hat er im Laufe der Zeit seine ganz eigene Version der Stratocaster entwickelt. Größter Unterschied zum Original ist, dass der Gitarrenbauer seine Instrumente aus einem Stück fertigt. Auch Korpus- und Halsform sind leicht abgewandelt, der Kopf leicht angeschrägt. „Charakteristisch für meine Gitarren ist die schlanke Form und eine gewisse Sehnigkeit“.
Die richtigen Hölzer findet Linke buchstäblich vor der Tür. „Ich verwende am liebsten Süßkirsche. Dieses Holz ist sehr stabil und besitzt ein gutes Klangverhalten.“ Doch auch Gellerts Butterbirne hat er schon verbaut. Die stand bei ihm auf dem Hof.
Nach seiner Jubiläumsgitarre will Reinhard Linke noch eine weitere Gitarre bauen, dann sei Schluss. „Die Billiggitarren aus Fernost sind mittlerweile einfach zu gut. Wer soll sich da noch für ein teures Unikat interessieren?“ (mz)