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Herrmannschacht Herrmannschacht: Älteste erhaltene Brikettfabrik der Welt steht in Zeitz

Von Sabrina Gorges 21.10.2015, 05:13
Technische Gerätschaften stehen vor den historischen Gebäuden der Brikettfabrik «Herrmannschacht» in Zeitz.
Technische Gerätschaften stehen vor den historischen Gebäuden der Brikettfabrik «Herrmannschacht» in Zeitz. dpa Lizenz

Zeitz - Der Tellertrockner atmet Geschichte. Die riesige, runde Apparatur ist von dunkelroten Backsteinmauern umgeben. Es riecht nach rostigem Metall. Viele Jahrzehnte wurde Kohle auf den einzelnen Etagen - den Tellern - mit heißem Dampf getrocknet. Zuvor wurde die Kohle zermahlen - bis sie kaum größer als ein Reiskorn war. Hoher Druck in der Brikettpresse fügte die Masse anschließend zu eckigen, schwarzen Dingern zum Heizen zusammen. Briketthaufen auf Fußwegen sind für viele heute ein Inbegriff für Ostalgie - wie die dazugehörigen Kachelöfen.

In der ehemaligen Brikettfabrik Herrmannschacht in Zeitz werden längst keine Braunkohlebriketts mehr hergestellt. Die älteste erhaltene Brikettfabrik der Welt im Süden Sachsen-Anhalts ist heute Industriedenkmal und Museum. Ein Teil der Anlagen und Maschinen ist noch funktionstüchtig. Das ist das Besondere.

Vom Bagger bis zum Gedenkstein: Als „Mitteldeutsche Straße der Braunkohle“ wird eine Route mit etwa 70 größeren und rund 200 kleineren Sachzeugen der Bergbaugeschichte rund um Halle und Leipzig bezeichnet. Der Dachverein mit Sitz in Leipzig trägt denselben Namen. 1996 wurde den Angaben zufolge das Konzept für die Themenroute erarbeitet und auch der Verein gegründet. Aktuell zählt er eigenen Angaben zufolge 43 Mitglieder.

Es gibt eine Haupt- und mehrere Regionalrouten sowie 15 ausgewiesene Höhepunkte. Dazu zählt auch das Museum Brikettfabrik Herrmannschacht Zeitz im Süden Sachsen-Anhalts. Die nach Museumsangaben älteste, mit Maschinen erhaltene Brikettfabrik der Welt war bis 1959 in Betrieb.

Auch aktive Bergbaustätten und durch den Bergbau entstandene Seen gehören zur Route. Die „Hauptstraße“ beginnt am Bergwitzsee bei Kemberg und endet in Halle.

Sie stammen aus der Zeit um 1883. Deutschland befindet sich da gerade mitten in der Industrialisierung. Der kostbare Technikbestand beeindruckt Experten und Laien gleichermaßen. Museumsleiterin Anik Salzmann sagt: „Man müsste nur hier und da ein paar Teile auswechseln, dann läuft das wieder.“ Nach einem Rundgang durch das technische Denkmal hat man daran keinen Zweifel mehr.

Die nach dem Zeitzer Fabrikanten Richard Herrmann benannte Fabrik produzierte bis Ende 1959, seit 1961 steht alles unter Denkmalschutz. „Das war eine Stadt in der Stadt“, sagt Salzmann. „Mit Häusern und Gärten.“ Etwa 80 Männer und Frauen arbeiteten dort. Die Braunkohle kam per Seilbahn aus der nahe gelegenen Grube „Neue Sorge“ bei Theißen. „Es gab früher mehr als 20 Brikettfabriken in der Region“, sagt die 26-Jährige, die das Museum seit Juli 2014 leitet. Sie ist ein Zeitzer Kind.

Betrieben und getragen wird das Museum vom 1994 gegründeten Verein Mitteldeutscher Umwelt- und Technikpark. Jährlich kommen um die 2000 Besucher. Zur nebenan arbeitenden Zuckerfabrik gab es früher eine direkte Verbindung. „Herrmann hat die Zuckerfabrik geleitet“, sagt Salzmann. „Die Kohle ging gleich rüber an den Abnehmer, direkt per Luftseilbahn und Förderband ins Kesselhaus.“ Grubenbesitzer Hermann war es auch, der vor mehr als 130 Jahren die Grundlage für die Brikettfabrik schuf.

Weitere Informationen zur Brikettfabrik in Zeitz lesen Sie auf Seite 2.

Das heutige Museumsgelände liegt in einem Gewerbegebiet. Es gab aber auch Jahre, in denen die Infrastruktur der ehemaligen Brikettfabrik verfiel. „Wir mussten auch abreißen“, sagt Salzmann. „Vieles war bis zur Landesgartenschau im Jahr 2004 und der Eröffnung des Museums nicht besuchertauglich.“ In den 1970er Jahren war die Anlagen in die zentrale Denkmalliste der DDR aufgenommen worden. Heute ist das Erhaltene konserviert und wird in Ruhe gelassen.

Für Andreas Berkner, Vorsitzender des Dachvereins Mitteldeutsche Straße der Braunkohle, ist der Herrmannschacht eine besondere Plattform der Industriekultur. „Brikettfabriken waren mal allgegenwärtig. Ihr Abriss nach der Wende wurde zunächst kaum als Verlusterfahrung wahrgenommen“, sagt er. Doch sie kam. Zeitz sei deshalb ein „extrem wichtiger Sachzeuge“ der braunkohleveredelnden Industrie in Mitteldeutschland, sagt Berkner. „Wir müssen schließlich unseren Enkeln mal erklären, wie diese Landschaft zustande gekommen ist.“

Die rußige Fabrik ist längst ein Erlebnismuseum - mit Revierhaus für Veranstaltungen, Schmuckbriketts in Vitrinen und einer Mooreiche vor der Tür. Zum Komplex gehört auch ein Braunkohlewald, der Einblicke in die Kohleentstehung vor 20 bis 50 Millionen Jahren gibt. Auch alte Lokomotiven sind zu bestaunen. „Die sind alle im Revier gefahren“, sagt die Museumsleiterin.

Seit 2009 ist die Brikettfabrik Herrmannschacht Teil der Europäischen Route der Industriekultur. Im sanierten Turmhaus der Fabrik gibt es eine Ofenausstellung. Ein Großküchenherd aus Stahl von 1890 ist nicht nur das älteste Stück, sondern auch das größte. „Wir haben etwa 60 Exponate in der Ausstellung“, sagt die Leiterin. Auch eine kohlenbeheizte Waschmaschine ist dabei. (dpa)

Blick in eine historische Werkstatt in der ehemaligen Brikettfabrik "Herrmannschacht" in Zeitz (Burgenlandkreis)
Blick in eine historische Werkstatt in der ehemaligen Brikettfabrik "Herrmannschacht" in Zeitz (Burgenlandkreis)
dpa Lizenz
Ein Mitarbeiter wartet die historische Dampfmaschine aus der Zeit um 1870 in der Brikettfabrik «Herrmannschacht» in Zeitz.
Ein Mitarbeiter wartet die historische Dampfmaschine aus der Zeit um 1870 in der Brikettfabrik «Herrmannschacht» in Zeitz.
dpa Lizenz