Beratung Helfer in Zeitz sehen immer öfter Rückfall in die Sucht
Wie die Corona-Pandemie das Verhalten Anfälliger beeinflusst und wie das Hilfsangebot darauf eingestellt worden ist.

Zeitz/Naumburg/MZ - Einsamkeit, Krankheit, Existenzängste - Die Corona-Zeit macht gerade vielen seelisch zu schaffen. Besonders schwer trifft es auch Suchtkranke, denn Hilfsangebote wurden coronabedingt eingeschränkt. MZ-Volontärin Silvia Kücken sprach mit den Mitarbeiterinnen der Zeitzer Diakonie-Suchtberatung Daniela Machner und Susen Lups, die seit Oktober am Naumburger Standort der Diakonie tätig ist.
Wie hat sich die Pandemie auf das Suchtverhalten ausgewirkt?
Daniela Machner: Wir sind jetzt an dem Punkt, wo auch einige Klienten kommen, die die Folgen dieser Pandemie-Zeit spüren: Entweder ist ein Suchtverhalten noch mal aufgeflammt. Oder es ist eine Sucht entstanden, weil vorher schon ein problematischer Konsum vorhanden war. Was mir besonders aufgefallen ist, dass es einen Anstieg an Rückfällen gab, bei schon länger abstinenten Klienten. So eine Suchterkrankung ist ja auch meistens nicht die einzige Erkrankung, sondern da schwingen oft Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder andere psychiatrische Erkrankungen mit. Und in der Pandemie sind soziale Kontakte oft weggefallen, die Tagesstruktur fehlte. Klienten waren in der Pandemiezeit wieder zu Hause alleine. Diejenigen mit den Rückfällen, hat das stark belastet, dass sie keine persönlichen Kontakte hatten. Und weil man halt nicht mehr die Freundin oder Mutter gesehen hat, konnte man natürlich auch unbemerkt konsumieren, ohne sich verstecken zu müssen.

Wo setzt ihre Suchtberatung an bei solchen Fällen?
Susen Lups: Wir versuchen in der Beratung zu erarbeiten, was für ein Motiv sich hinter dem Konsum verbirgt. Wenn die Klienten zu uns kommen, ist das nicht mehr der gesellschaftliche Konsum zu Feierlichkeiten, sondern der hat ein Motiv. Das Hauptmotiv ist in der Regel unangenehme Gefühle wegzuschieben - Langeweile, Wut, Frust, Trauer. Wenn mein Kopf aber gelernt hat - Crystal Meth, Gras, Alkohol, die Suchtmittel helfen mir gleich, diese unangenehmen Zustände ertragbar zu machen - dann ist es natürlich schwierig, diese Mittel wegzulassen, weil dann sind die unangenehmen Gefühle auf einmal da. Das ist das Paradoxe bei der Sucht: Dem Abhängigen geht es erstmal gut mit dem Konsum, weil das die Bewältigungsstrategie ist und wenn er dann die Strategie aufgibt, dann geht es ihm am Anfang dementsprechend erst mal richtig schlecht.
Wir versuchen mit motivierender Gesprächsführung zu klären: Was willst du? Hinter der Langeweile bei Jugendlichen verbirgt sich zum Beispiel oft, dass sie keine Ziele haben, die Perspektive fehlt. Und ich frag dann immer: Was willst du, wohin willst du? Was für ein Leben stellst du dir vor? Und wenn sie diesen Fokus wieder kriegen, dann wissen sie auch, welchen Weg sie gehen müssen. Und dass der Konsum, so wie er ist, nicht zu diesem Weg passt.
Sie hatten pandemiebedingt bis Frühling dieses Jahres auf reine Telefonberatung umgestellt. Wie hat das funktioniert?
Lups: Als wir im März 2020 komplett auf Telefonberatung umgestellt hatten, habe ich gedacht: Was? Das geht doch gar nicht. Suchtberatung war ja immer bestimmt vom persönlichen Miteinander. Also Einzelgespräche mit den Klienten nach Terminvereinbarung in unserer Beratungsstelle. Insgesamt haben wir aber festgestellt, dass die Telefonberatung ein guter Zugang ist.
Wir mussten uns natürlich umstellen. Denn wenn der Klient vor mir sitzt, dann sehe ich wie er guckt, sehe an Mimik, Gestik, was gerade mit ihm passiert. Das habe ich am Telefon nicht, da brauche ich noch viel mehr Aufmerksamkeit. Von vielen Klienten, die am Anfang skeptisch waren, gab es eine positive Rückmeldung. Die Klienten konnten sich den Weg sparen, wo sie sonst einen Urlaubstag eingereicht hätten für den Termin.

Machner: Bei manchen Klienten gab es ein dreiviertel Jahr lang nur Telefonberatung und das erste Mal habe ich sie gesehen, als sie mir sagten, Frau Machner, morgen gehe ich auf Entgiftung. Ein Nachteil war jedoch, dass Gruppengespräche eine Zeit lang nicht möglich waren. Das betrifft die therapeutische Nachsorge für die Klienten, die bereits eine Reha gemacht haben. Da fehlte der Austausch der Klienten untereinander.
Wer sucht in ihrer Beratungsstelle Hilfe?
Lups: Unsere Klienten sind seit 2016, seitdem es die Stelle in Zeitz gibt, bis 2020 immer etwa drei Viertel Männer und ein Viertel Frauen gewesen. Die größte Gruppe unserer Klienten ist zwischen 28 bis 45 Jahre alt. Die Altersspanne, wo man schon mitten im Leben steht, wo man zum Beispiel gerade erst eine Familie gegründet hat. Jugendliche sind wenige dabei, die sind außerdem meistens fremdmotiviert, also sie werden von ihren Eltern zu uns geschickt und sie sehen ihr eigenes Verhalten noch nicht als Problem.
Was empfehlen Sie Angehörigen von Betroffenen?
Lups: Es gibt kein Patentrezept. Das, was ich aber sagen kann, liebe Angehörige, kommt hierher. Zu uns kommen viel zu wenige Angehörige, wenn wir davon ausgehen, dass jeder Betroffene mehrere Angehörige hat. Nehmen Sie Hilfe an. Suchtberatung ist auch für Angehörige da. Manchmal reicht ein Gespräch, um etwas auszuloten.