Handwerker in Theißen Handwerker in Theißen: Der Nächste bitte zum Puppendoktor

theissen/MZ - „Die Haare sind ganz zerzaust, da ist mit dem besten Kamm nichts mehr zu machen“, meint Dietmar Gabler aus Hollsteitz, legt die Puppe seiner dreijährigen Enkelin auf den Tisch und schaut den Mann dahinter fragend und hoffend zugleich an. Der trägt ein auffälliges rotes T-Shirt, das die Aufschrift Notarzt trägt. Allerdings verarztet Günter Geier keine Menschen, sondern kümmert sich seit mehr als fünfzig Jahren um die Gesundheit jeglicher Art von Puppen und Teddybären. Und das beschert dem gelernten Schneider, der in Altendorf bei Bamberg eine Puppenklinik führt und zudem seit neun Jahren als mobiler Puppendoktor für Supermarktketten und Hotels durch die Lande reist, jede Menge Arbeit. Abgerissene Arme und Beine, verletzte Augen, zerbrochene Köpfe, die Wunden seiner Patienten sind vielfältig. Doch bei 15.000 Ersatzteilen, darunter 10.000 Augen und 400 Perücken, mit denen „Dr. med. Pupp.“ reist, findet sich für fast alles eine Lösung.
Auch in Theißen, wo der 73-Jährige seit gestern im Globus-Einkaufsmarkt seine Praxis geöffnet hat, ist dies so. Kurz nach Ladenöffnung warten bereits zehn Patienten aus Plastik und Porzellan auf ihre Behandlung. Und laufend kommen neue Kunden hinzu. Elinore Rauchbachs Puppe Probleme mit den Augen und hofft, dass Günter Geier die Schlafaugen des Sammlerstücks wieder hinbekommt. „1960 hat meine Tochter diese Babypuppe bekommen“, berichtet die 82-jährige Naumburgerin, die von ihrem Lebensgefährten Hans-Joachim Hering begleitet wird. Auch der hat schon die Dienste des Puppendoktors in Anspruch genommen. „Ich habe einen wertvollen Franzosen, eine 80 Jahre alte Schildkröt-Puppe, und die musste repariert werden. Es ist ja lobenswert, dass es so etwas noch gibt“, erklärt der Senior mit Blick auf Günter Geier, der sein Handwerk immerhin im 54. Jahr ausübt. Allerdings bald sei aus gesundheitlichen Gründen Schluss, macht Geier deutlich.
Wehmut und Traurigkeit
Und dabei liegen durchaus Wehmut und Traurigkeit in seiner Stimme, denn was für Günter Geier einst als Praktikum begonnen hatte, sei mittlerweile zur Berufung und Leidenschaft geworden, sagt der Bayer. „Man lernt dabei immer etwas dazu “, meint er verschmitzt. Doch auch mit einem lächelnden Auge kann der Oberfranke mittlerweile seinem Rückzug entgegensehen. Denn plagte Geier bis vor kurzem noch die Sorge darüber, wer sein Geschäft einmal weiterführen wird, scheint die sich in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Denn auf Reisen und auch hier in Theißen greift ihm Praktikantin Steffi Simon aus Chemnitz unter die Arme. Dabei weckt das Kennenlernen der beiden bei Günter Geier eigentlich wenige gute Erinnerungen. Denn als er vor gut drei Monaten seine mobile Praxis in der Heimatstadt der 34-Jährigen aufmachte, machte der Kreislauf des Puppendoktors schlapp und er landete per Notarztwagen im dortigen Krankenhaus.
Hier arbeitete Steffi Simon als Krankenschwester auf der Notfallstation. Günter Geier war von der verheirateten Mutter von zwei Kindern angetan und sprach sie an, ob sie nicht in seiner Puppenarztpraxis arbeiten wolle. „Das war eine richtige Schicksalsbegegnung“, meint die 34-Jährige, die - wenngleich sie ihre Arbeit liebt - kurz zuvor mit ihrem Mann darüber gesprochen hatte, dass sie sich durchaus vorstellen könnte, noch einmal etwas ganz anderes zu tun. „Ich bin ein sehr kreativer Mensch. Wir basteln in der Familie viel und ich war von dem Menschen Günter Geier so begeistert, dass ich mir die Arbeit praktisch angucken wollte. Ein solches Werk kann nicht einfach zu Ende gehen“, begründet Steffi Simon ihre spontane Entscheidung. Für sechs Monate hat sie nun ihre Arbeitszeit an der Chemnitzer Klinik reduziert und ihre Dienstpläne mit denen des Puppendoktors abgestimmt. Danach will sie entscheiden, in welcher Art es weitergehen wird.