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Geringer Verdienst und lange Wartezeiten Geringer Verdienst und lange Wartezeiten: Zeitzer Therapeuten sind am Limit

Von Iris Richter 22.10.2018, 08:04
Ergotherapeutin Constanze Günther (r.) behandelt Patientin Nicole Nüssel-Kunze.
Ergotherapeutin Constanze Günther (r.) behandelt Patientin Nicole Nüssel-Kunze. Marco Junghans

Zeitz - Wenn Constanze Günther über ihren Beruf als Ergotherapeutin spricht, gerät sie förmlich ins Schwärmen. „Ich bin mit Leib und Seele Therapeutin. Es ist ein sehr schöner, erfüllender Beruf, der eine große Vielfalt und Abwechslung bietet“, sagt sie. Man müsse sich ständig auf unterschiedliche Patienten, Krankheitsbilder und Charaktere einstellen, darauf die Behandlungsmethoden anpassen. Ein medizinischer Beruf sei schon immer ihr Traum gewesen, allerdings hatte es zu DDR-Zeiten mit einem Medizinstudium nicht geklappt. So studierte Constanze Günther erst einmal Wirtschaftswissenschaften, machte später eine zweite Ausbildung zur Ergotherapeutin. Doch mittlerweile liegt ein Schatten über ihrem einstigen Traumberuf. Denn die Situation der Ergo- und Physiotherapeuten sowie der Logopäden und Podologen ist schlecht wie nie, vor allem derjenigen, die selbstständige Praxen betreiben.

53-jährige ist Inhaberin von zwei Ergotherapie-Einrichtungen in Zeitz und Weißenfels

Seit 2007 ist die 53-jährige Inhaberin von zwei Ergotherapie-Einrichtungen in Zeitz und Weißenfels. Elf Mitarbeiter kümmern sich dort um die Patienten. Sorgen dafür, dass diese eine durch Krankheit, Verletzung oder Behinderung verloren gegangene oder nicht vorhandene Handlungsfähigkeit erreichen und so ihren Alltag besser bewältigen können. Und es kann schnell gehen, dass Menschen bestimmte Fähigkeiten verlieren, etwa durch einen Schlaganfall oder Unfall.

Bei Kindern hingegen können Entwicklungsstörungen dazu führen, dass Sprache oder Motorik in nicht ausreichendem Maße ausgebildet sind. Dabei versuchen Constanze Günther und ihr Team ganzheitlich an die Lösung des jeweiligen Problems heranzugehen, was bedeutet, dass logopädische wie physiotherapeutische Behandlungen ebenso dazugehören.

„Der Bedarf an unseren Therapien ist groß“

„Der Bedarf an unseren Therapien ist groß, weil die Ärzte zunehmend erkannt haben, dass sie den Patienten helfen“, sagt Constanze Günther. Doch wer in ihrer Praxis einen Termin haben will, muss warten - manchmal bis zu zwei Monate. Die Tatsache, dass zwei junge Mitarbeiterinnen schwanger sind und wegen des Beschäftigungsverbotes ausfallen, erschwere die Situation zusätzlich. Denn Fachkräfte zu bekommen, sei immer schwieriger. Junge Leute würden kaum mehr therapeutische Berufe erlernen, sagt sie, egal ob es die Ergotherapie, Logopädie oder die Physiotherapie sei.

„Gerade wir selbstständigen Therapiepraxen haben alle die gleichen Probleme: Fachkräfte sind Mangelware“, weiß Constanze Günther. Denn ausgebildete Therapeuten würden eher in stationären Einrichtungen anfangen, statt in freien Therapiepraxen, weil sie hier feste Arbeitszeiten hätten und auch noch besser bezahlt würden. Gründe dafür, dass der Therapeutennachwuchs ausbleibt, gäbe es mehrere. Zum einen müssten Auszubildende, statt eine Ausbildungsvergütung zu bekommen, Schulgeld für die Ausbildung zahlen.

Verdienst bei Heilberufen eher schlecht

Zum anderen sei der Verdienst für diese Heilberufe, besonders wenn sie in freien Praxen arbeiten, schlecht, weil die Kassen therapeutische Leistungen viel zu niedrig vergüten. In Sachsen-Anhalt seien die Löhne mit durchschnittlich 1700 Euro brutto für 40  Stunden Arbeit dabei sogar am schlechtesten. „Viele Praxen sind am Limit angekommen, so kann es nicht mehr weitergehen“, sagt Constanze Günther.

Durchschnittlich 32 Euro würden die Kassen pro Stunde und Patient für Ergotherapien zahlen. Die Zuzahlungen, die von Patienten geleistet würden, seien dabei kein Extrageld, sondern würden verrechnet. Von dem Geld aber müssten Miete, Lohnkosten, Nebenkosten, Kosten für therapeutische Hilfsmittel aber auch für Weiterbildungen gezahlt werden. Das sei kaum mehr zu schaffen. Hinzu kämen zunehmend bürokratische Hürden bei den Abrechnungsmodalitäten, die immer mehr Zeit in Anspruch nehmen - Zeit, die für die Therapien beim Patienten fehlt. „Wir haben sogar finanzielle Einbußen, wenn formelle Dinge, die keine Relevanz für die Therapie haben, nicht stimmen“, berichtet Constanze Günther.

Hoffnung macht Constanze Günther, dass die Situation der Therapeuten durch viele bundesweite Aktionen, die auch von ihr und ihren Mitarbeitern unterstützt werden, endlich in der Politik angekommen ist. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versprach Nachbesserungen ab 2020. „Doch das könnte für viele Praxen zu spät sein“, befürchtet die Weißenfelserin.

››Mehr Informationen zum Thema unter https://therapeuten-am-limit.de (mz)

Knetmasse für Handübungen - auch diverse Hilfsmittel müssen von Praxen aus dem Satz der Krankenkassen finanziert werden.
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Marco Junghans
Logopädin Franziska Preuß (l.) nutzt bei der Arbeit mit Patientin Bianca Trummer spezielle Karten.
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Marco Junghans