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Für Schwimmbad kein Geld

Von Heike Riedel 04.07.2008, 15:51

Zeitz/MZ. - 1,50 Euro für einen Schwimmbadbesuch zwischendurch fallen nicht so einfach vom Haushaltsgeld ab, wenn drei Kinder zu versorgen sind und der Vater gerade mal so viel Geld nach Hause bringt, wie die Familie über Hartz IV auch ohne seine Arbeit bekäme. Jens Korwie fährt Lkw und kann mit seiner Arbeit der Familie kein normales Leben mehr bieten.

Bis vor drei Jahren noch hat er ihr in Baden-Württemberg von seinem Einkommen den Lebensunterhalt finanzieren können. Besuche im Freibad oder Freizeitparks gehörten da zum Alltag. Die Kinder hatten sogar Taschengeld. Die Sehnsucht nach der Heimat führte Korwies vor zwei Jahren dann aber zurück nach Zeitz. Und seitdem kommt die Familie nicht mehr ohne Hartz-IV-Zusatzleistungen aus. In einem Verein zum Schwimmen gehen, der Wunsch musste Tina (16) schon abgeschlagen werden. Auch ein Musikschulbesuch war für sie nicht zu finanzieren.

Die Idee, zu reiten, musste Jenny (12) aufgeben. Und Maikel (15) kann nur so lange seinen Computerspielen nachgehen, wie die Technik, die Korwies schon vor ein paar Jahren gekauft haben, noch durchhält.

Tina trifft sich mit Freunden an der Straßenecke. "Es gibt keinen Jugendklub", sagt Mutter Kerstin. Und andere Alternativen könne sie dem Mädchen nicht anbieten. Jenny beschäftigt sich hingegen eifrig an den Bastelnachmittagen im Mehrgenerationenhaus. So hofft Mutter Korwie auch, dass sie der Hoffnungslosigkeit entkommt, die ihre Großen aus der Schule mitbringen. "Die Arbeitslosigkeit hinterlässt in vielen Familien Spuren", so ihre Feststellung. Immerhin kann Tina bald eine Ausbildung in Hauswirtschaft und Kinderpflege beginnen. Wohin Maikels Weg einmal führt, ist ihr noch unklar. Sie kann ihm keine besonderen Möglichkeiten einräumen, sich einmal auszuprobieren.

"Ohne Kleiderkammer und Tafelstube würde ich gar nicht mehr hinkommen", sagt Jana Duschek. Die Weißenfelserin hat zwei Söhne (12 und 17 Jahre) und ist alleinstehend. Für sie ist das Angebot des Tafelvereins Naumburg in Weißenfels mehr als nur materielle Unterstützung geworden. Sie verbringt manch gesellige Stunde mit ihrem Jüngsten, Sebastian, dort.

Bei 1 200 Bedürftigen, die die Tafel nutzen, sind wir jetzt schon in Weißenfels angekommen, sagt Mathias Gröbner, Chef der Naumburger Tafel. Mit Hartz IV sei die Zahl derer explodiert, die Lebensmittel- und andere Spenden brauchen. Was sein Verein tun kann, sieht er aber nicht als Ausweg aus Armut.

Landrat Harri Reiche (parteilos) sieht Hilfemöglichkeiten nur für den Einzelfall, will das Thema Armut im Landkreis aber noch auf die Tagesordnung stellen. Mit den Hartz-IV-Regelungen ist Anfang 2005 der Sozialpass im Burgenlandkreis weggefallen. Wo es besondere Ermäßigungen für Bedürftige gibt, das liegt nun allein im Ermessen von Kommunen, Einrichtungen und Vereinen. Da gibt es zum Beispiel Rabatte in Abhängigkeit von der Kinderzahl in Kindereinrichtungen, Musikschulen und Vereinen. Eine Förderrichtlinie schreibt Sportvereinen zwar Mindesteinnahmen vor, doch könnten die nach dem Solidaritätsprinzip zugunsten der Kinder ausgerichtet werden, sieht Reiner Deutrich, vom Kreissportbund Spielraum.

"Menschen mit wenig Geld, stehen häufig abseits", sagt Anja Otto. Sie können sich in der Regel nicht durchsetzen, ihnen fehlt Selbstbewusstsein, sie streiten selten um ihre Rechte, fügen sich in ihre Verhältnisse ein. So die Feststellung der Koordinatorin im Mehrgenerationenhaus Zeitz, wo Hilfe angeboten wird. 483 Familien mit durchschnittlich zwei bis drei Kindern, aber auch eine Familie mit sechs Kindern nutzen in Zeitz die Tafel des Christlichen Jugenddorfwerkes zweimal wöchentlich. 397 waren es vor einem Jahr.