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Entwicklung in Zeitz Entwicklung in Zeitz: Keine Geburten in der Klinik?

Von Julia Reinard 01.03.2014, 10:08
Verwaister Kreißsaal - sieht so die Zukunft in Zeitz aus?
Verwaister Kreißsaal - sieht so die Zukunft in Zeitz aus? Corina Wujtschik Lizenz

Zeitz/MZ - So könnte es ab 2015 im Kreißsaal Zeitz aussehen: leer. Das ist kein utopisches Szenario, sondern eine schlimme, aber realistische Zukunftsaussicht. Der letzte Haftpflichtversicherer für Hebammen hat angekündigt, sein Angebot ab 2015 einzustellen. Das hieße für Hunderte Hebammen im Land, sich nicht versichern zu können, was sie aber müssen. Und für die drei Kliniken im Burgenlandkreis hieße das, keine Geburten mehr durchführen zu können. Denn die dürfen nur vorgenommen werden, wenn eine Hebamme anwesend ist.

„Für uns ist das wie ein Berufsverbot“

Alle drei Kliniken arbeiten mit sogenannten Beleghebammen. Das sind freie Hebammen, die für die Dauer der geburtlichen Betreuung ins Krankenhaus kommen. In Zeitz gibt es vier von ihnen: Barbara Walther, Carola Köhler, Gabriele Knobloch und Marion Huss. Die Ankündigung der Versicherung betrachten sie als Angriff auf ihren Beruf: „Für uns ist das wie ein Berufsverbot“, sagt Hebamme Barbara Walther. Schließlich sei die Haftpflicht - dem Namen entsprechend - eine Pflichtversicherung. Kann sie nicht vorgewiesen werden, kann die unversicherte Person nicht arbeiten. Zugleich ist die Versicherung auch ein Schutz für die Hebammen. Werden Regressansprüche gestellt, weil etwas schief gelaufen ist, dann greift die Versicherung. Ohne sie könnten die Hebammen nicht arbeiten. Denn die Versicherungssummen sind viel zu hoch für eine persönliche Haftung.

So begründet der letzte verbliebene Versicherer, warum er das Angebot einstellt: „Die Kosten für Geburtsschäden infolge von Behandlungsfehlern sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen“, so hieß es von Seiten des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Das liegt vor allem an der gewachsenen Lebenserwartung der Geschädigten. Im Fall des Falles kann es passieren, dass die Versicherung ein Leben lang für medizinische Versorgung und Therapie zahlen muss.

Aus dem Grund hatten sich die Kosten für die Haftpflicht für Hebammen in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht. Bis einschließlich 2003 lagen sie noch deutlich unter der 500-Euro-Marke. Ab Juli 2014 muss jede Hebamme 5 091 Euro jährlich dafür berappen. Das sind 424 Euro pro Monat.

„Ein Teil des Weges“

Keine leicht zu erbringende Summe, wenn man bedenkt, dass eine Hebamme laut Berechnung des eigenen Verbands etwa 8,50 Euro die Stunde verdient, wie Barbara Walther berichtet. - Und das für einen Job, der rund um die Uhr fordert. Kinder kommen zur Welt, wenn es soweit ist - die Uhrzeit ist egal. In Zeitz heißt das: Ist es soweit, fährt die werdende Mutter ebenso in die Klinik wie eine der vier Beleghebammen. Entweder kennen sich Mutter und Hebamme schon von vorherigen Terminen, oder die Hebamme kommt, weil sie Rufbereitschaft hat. Damit wechseln sich die vier Hebammen ab. Gemeinsam halfen sie voriges Jahr rund 360 Kindern auf die Welt.

Carola Köhler betont aber, dass die Geburt lediglich „ein Teil des Weges“ sei. Denn die Hebammen begleiten die Frauen meist ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Die Hebammen geben auch Geburtsvorbereitungskurse, sorgen in den ersten Wochen für die Nachbereitung und begleiten die Mütter bis zu einem Jahr nach der Entbindung.

Wenn das Problem der Haftpflicht bleibt, könnten die Kreißsäle im Burgenlandkreis verwaisen. Aber das will auch Lars Frohn nicht. Der Geschäftsführer des Zeitzer Georgius-Agricola-Klinikums sagt: „Ich finde, die Kombination von Hebammen und Ärzten hier passt.“ Seit dem Jahr 2000 arbeiten die Hebammen in Zeitz frei. Zuvor waren sie fest angestellt. Das hatte aus Sicht der Hebammen auch Nachteile: Wenn die Schicht zu Ende war, musste gewechselt werden - das Arbeitszeitgesetz sieht es so vor.

Wäre also die Wiedereinstellung eine Option? - Unmöglich wäre das nicht - dann benötigten die Hebammen keine persönliche Berufshaftpflicht. Allein: Die Hebammen sehen zuerst die Politik in der Pflicht. Und sie wollen aufwecken. Das Thema gehe alle an, versuchen sie zu verdeutlichen. Sie wollen klarmachen: Wenn alles bleibt, wie es ist und die Haftpflichtversicherung ausläuft, dann gibt es im Kreis bald keinen Ort für Geburten mehr.