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Ein Garten, viele Gärtner Ein Garten, viele Gärtner: Behinderte Menschen bekommen Treffpunkt im Grünen

Von Torsten Gerbank 16.08.2019, 05:00
Immer wieder Treffpunkt im Caritas-Garten: Der Goldfischteich.
Immer wieder Treffpunkt im Caritas-Garten: Der Goldfischteich. René Weimer

Zeitz - Im Garten mit der Nummer 37 in der Anlage Vorwärts in Zeitz-Ost hat Marcel Wachtel schon so manchen Schweißtropfen gelassen. Beim Umgraben zum Beispiel oder beim Abtransport der Hinterlassenschaften des vorherigen Nutzers. Kräftig zugepackt hat Wachtel, obwohl er nicht einmal der Pächter der Nummer 37 ist. Den Kleingarten, in dem sich Goldfische munter im Teich haschen, in dem mit Rosen auch Dahlien, Studentenblumen und Lilien gedeihen und gleich nebenan Tomaten wachsen und Bohnen, Gurken und Paprika, wird von der Caritas bewirtschaftet.

Konkret kümmert sich eine Gruppe von geistig und psychisch behinderten Menschen um ihn. Sie sind im Alter von 18 bis 54 Jahren. Und sie wohnen nicht in einem Heim, sondern werden ambulant von den Heilerziehungspflegern Kristin Straube und Leonard Hopf betreut. 20 Menschen werden derzeit im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens regelmäßig von Straube und Hopfe besucht. Ihnen steht auch der Garten offen.

Idee, einen Schrebergarten zu übernehmen

Hinter der Idee, einen Schrebergarten zu übernehmen, steckt laut Kristin Straube das Ziel, für und mit den Betreuten einen Ort zu schaffen, an dem sie sich treffen und gemeinsam Freizeit verbringen können: in der Natur, an der frischen Luft. Gleichzeitig spricht Straube von Erlebnispädagogik. Denn es gehe dabei auch darum, Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam selbstständig zu planen und zu arbeiten, Aufgaben zu verteilen, sich gegenseitig zu unterstützen, manchmal auch zu erziehen.

Die Idee kam gut an, sowohl bei den Betreuten, als auch beim Regionalverband der Gartenfreunde, der die Pachtzahlung übernimmt, und beim Vorstand der Gartenanlage Vorwärts. Einerseits, so Vereinsvorsitzende Ulrike Herrmann, gehe es dabei um soziales Engagement und andererseits helfe das Projekt auch, bislang leer stehende Gärten zu bewirtschaften. Denn mit der Zusammenarbeit ist nicht nur für Garten 37 eine Nutzung herausgesprungen, sondern auch noch für zwei weitere.

Arbeit im Garten bringt Ausgleich und Abwechslung

Denn nicht nur Marcel Wachtel hat sozusagen den Kleingärtner in sich hervorgeholt und selbst eine Parzelle übernommen. „Ich brauche das“, sagt der 42-Jährige, der in der Vater-Jahn-Straße in Zeitz lebt, aber in einem Weißenfelser Betrieb Nägel verpackt. Die Arbeit im Garten bringe ihm Ausgleich und Abwechslung, sagt Wachtel. Vor allem könne er da auch mal in Ruhe seinen Gedanken nachhängen und auch Pläne schmieden. Seit etwa vier Wochen bewirtschafte er nun auch noch seinen eigenen Garten in der Anlage.

Die Anlage Vorwärts gibt es seit 1931. Sie ist etwas mehr als doppelt so groß wie die Grundfläche des Petersdoms in Rom. Es gibt 110 Gärten, zehn von ihnen stehen leer. Eine Leerstandsquote, die sich sehen lassen kann, so Herrmann. Andere Vereine seien da viel schlechter dran.

Insgesamt gibt es 95 Vereinsmitglieder

Insgesamt gibt es 95 Vereinsmitglieder, von denen fünf zwei Gärten gepachtet haben. Eine Parzelle nutzt die Johann-Traugott-Weise-Schule seit ein paar Jahren als Schulgarten. In der Schule werden geistig und mehrfach behinderte Mädchen und Jungen unterrichtet. Sowohl dieser Garten, als auch der, der nun an die Caritas verpachtet ist, waren laut Herrmann zuvor in unansehnlichem Zustand. „Sie wurden mit viel Fleiß hergerichtet“, sagt die Vereinsvorsitzende. Die Caritas habe den Garten im Frühjahr übernommen: „Die haben gewühlt wie verrückt“, lobt Ulrike Herrmann.

Wenn die Vereinschefin einmal am Loben ist, dann macht sie gleich weiter: Sie sagt, sie sei stolz auf die Arbeit ihrer Vereinsmitglieder und ihres Vorstands. Nur mit ihnen und ihrer Arbeit könne die Anlage so sein wie sie ist. Zu diesem „Ist“ zählt sie die Bereitschaft, Kinder freundlich anzunehmen, Ausländer und Behinderte in die Arbeit einzugliedern.

Und natürlich, so Herrmann, gehören gepflegte Gärten dazu mit schmucken Lauben, mit Blumen, Obst und Gemüse, mit Trampolinen, Sandkästen sowie Badebecken - und natürlich mit hilfsbereiten Nachbarn. Allerdings weiß sie auch, dass der Altersdurchschnitt der Mitglieder hoch ist. Ulrike Herrmann selbst ist 67 Jahre. 49 ihrer Vereinsmitglieder sind inzwischen 70 Jahre und älter. Auch deshalb möchte sie die derzeit leer stehenden Gärten am liebsten an junge Familien mit Kindern verpachten. Denn Kinder, sagt sie nochmals, seien willkommen.

››Kontakt zu Ulrike Herrmann über Telefon 0173/7523545 (mz)

Marcel Wachtel sagt, dass ihm Gartenarbeit Zeit zum Nachdenken gibt.
Marcel Wachtel sagt, dass ihm Gartenarbeit Zeit zum Nachdenken gibt.
René Weimer