Ehemalige Armeeangehörige fassen in der Wirtschaft Fuß
WEISSENFELS/MZ. - Oberstabsgefreiter Steffen Solkowsky (29) und Hauptmann Matthias Siegert (28) haben mehr als nur den Grundwehrdienst bei der Bundeswehr geleistet. Nun wollen sie die Armee verlassen und im zivilen Leben Fuß fassen: Solkowsky als Industriekaufmann, Siegert will im Produktionsmanagement tätig werden. Noch zwei Jahre ist er bei der Bundeswehr, studiert aber bereits seit April an einem Tag im Monat. Dafür muss er Urlaub nehmen. Und in seiner Freizeit büffelt er auch bereits. Solkowsky, von Beruf Karosseriebauer, schulte um. Er fand bei einem Unternehmen in Leipzig einen Umschulungsplatz. Der Oberstabsgefreite ist guter Dinge, dass ihn die Firma später übernimmt. Die Rückkopplung nach einem Jahr besagt, dass der größte Teil der ehemaligen Armeeangehörigen den Sprung in die Wirtschaft schafft.
So unterschiedlich die Lebenswege von Solkowsky und Siegert gewesen sein mögen - eins haben sie jetzt gemeinsam: Sie ließen sich vom Berufsförderungsdienst beraten. "Von den Angehörigen des Bundeswehrstandortes informiert sich ein Großteil rechtzeitig über Qualifizierungsmöglichkeiten sowie über finanzielle Zuschüsse", so Beraterin Yvonne Rühlemann. Neben ihr sind weitere drei Mitarbeiterinnen in diese Aufgabe eingebunden. Immerhin haben die ehemaligen Bundeswehrangehörigen nach Dienstzeitende sechs Jahre Zeit, ihre Ansprüche einzufordern. Doch nicht alle Soldaten nutzen diese Chance. "Manche denken eben nicht so weit", sagt Matthias Siegert. Der 28-Jährige fügt hinzu, dass jeder Eigeninitiative entwickeln müsse. Er wolle sich später nicht Vorwürfe machen müssen, nicht alles getan zu haben, um vorwärts zu kommen.
2 030 "Ehemalige" sind laut Yvonne Rühlemann vom Berufsförderungsdienst noch in der Betreuung. Dazu kommen die, die jährlich ihren Dienst beenden, im vergangenen Jahr waren das 85 Soldaten und Offiziere. Dementsprechend groß ist der Andrang: Anfragen nach einem Termin sind gut einen Monat im Voraus zu stellen.
Wer nach der Armee ausscheidet und in die freie Wirtschaft geht, fällt nicht in ein tiefes Loch. Natürlich versuche man im Beratungsgespräch schon aufzuzeigen, in welcher Branche es in der Wirtschaft nicht sonderlich gut aussieht. "Wir wissen, dass die Wirtschaft ständig in Bewegung ist", ergänzt Rühlemann. Zwei Jahre vor seinem Dienstaustritt kann derjenige mit zwölf Jahren Verpflichtungszeit sich freistellen lassen, damit er sich um sein späteres berufliches Leben kümmern kann. Besonders hoch im Kurs steht die Qualifizierung. "Einer Firma kann nichts Besseres passieren, als einen gut ausgebildeten Mann zu übernehmen", erklärt die Beraterin. Noch nicht einmal die Kosten für die Ausbildung habe die Firma zu tragen. So ließen sich Bundeswehrangehörige unter anderem zu Staatlich geprüften Technikern ausbilden, zu Betriebswirten oder auch zur Fachkrankenschwester. Die Qualifizierungskosten müsse jeder selber tragen. Die Bundeswehr erteilt laut Rühlemann aber Zuschüsse, die von der Dauer der Zugehörigkeit zur Bundeswehr abhängen und von knapp 3 000 bis 12 000 Euro reichen. Der Haken an der Geschichte: Kaum einer aus der Wirtschaft weiß von den ausgebildeten Fachkräften. Oft herrsche noch das Bild von einem Soldaten vor, der zehn Jahre nichts anderes getan habe, als nur über die Eskaladierwand zu klettern. Dass hänge auch damit zusammen, dass viele über die Bundeswehr nicht Bescheid wissen. Rühlemann: "Es ist eine mühselige Aufklärungsarbeit." Nur ab und zu kämen Unternehmen vorbei, um sich nach Fachkräften zu erkundigen.
"Das liegt aber auch teilweise mit daran, dass einfach nicht genügend freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind", ergänzt Ines Stöbe von der Arbeitsagentur Merseburg. Wer von der Bundeswehr Abschied genommen hat und in der Wirtschaft Fuß fassen will, sollte sich rechtzeitig mit der Arbeitsagentur in Verbindung setzen, fügt sie hinzu. "Das Problem ist bekannt", erklärt Matthias Walther von der Weißenfelser Geschäftsstelle der IHK Halle-Dessau. Mehrmals habe man sich dazu im Unternehmerstammtisch schon verständigt. Wer IHK-Mitglied sei, der wisse, dass man auf gut ausgebildete Leute bei der Armee zurückgreifen könne.